Viele nutzen die Fastenzeit und nehmen sich einen Vorsatz: bewusst auf etwas verzichten oder mal wieder ein paar Kilos ablegen. Doch worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen dem religiöse Fasten und gewöhnlichen Diäten?

Mit dem Ende des bunten Karnevaltreibens am Aschermittwoch hat die alljährliche Fastenzeit begonnen. Die vierzigtägige Nachempfindung des Leidens Jesu und die damit verbundene Einstimmung auf Ostern, bedeutet für viele Christen eine bewusste Enthaltung bestimmter Speisen und Genussmittel. Für andere hingegen bietet diese Zeit eine willkommene Gelegenheit, um sich endlich ein paar unerwünschte Kilos vom Körper zu hungern. Doch wo schlägt das Fasten in einen beispiellosen Diätwahn unserer modernen Gesellschaft um? Und ist es moralisch überhaupt vertretbar, den eigentlichen Sinn des Fastens aufgrund eines Nacheiferns persönlicher Schönheitsideale derart zu entfremden?
Fasten als Stärkung persönlicher Kompetenzen
Der religiöse Sinn des Fastens besteht darin, den Verzehr gewisser Genuss- und Nahrungsmittel wie Fleisch, Süßigkeiten oder Alkohol, für einige Wochen stark zu reduzieren oder sogar komplett einzustellen. Dadurch sollen gläubige Christen, Juden und Muslime das Gefühl einer bewussten Enthaltsamkeit nachempfinden können. Wann und wie die verschiedenen Religionen das Fasten praktizieren, fällt unterschiedlich aus. Die Hauptziele sind jedoch zumeist sehr ähnlich: Alle Gläubigen bereiten sich mit Hilfe des Fastens auf hohe religiöse Feierlichkeiten vor, indem sie eine innere Einkehr finden und ihre Selbstdisziplin, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit stärken. Die wiederum zielt auf eine Bereitschaft zur Umkehr und Neuausrichtung auf Gott. Der bewusste Verzicht soll Herz und Seele für den Dienst Gottes freier, lebendiger und williger machen.
Religiöses Fasten zielt also keinesfalls darauf ab, möglichst effektiv Gewicht zu verlieren, sondern verfolgt weitaus tiefsinnigere Intentionen. Fasten ist kein Selbstzweck, sondern eine disziplinarische Übung, ein Verzicht, der die Sinne frei macht für neue religiöse Erfahrungen. In unserer heutigen Konsumgesellschaft, in der Essen und Trinken für viele Menschen jederzeit im Überfluss zur Verfügung stehen, sollte ein weiterer, wichtiger Sinn außerdem darin bestehen, sich in das Elend derjenigen hinein zu versetzen, die Hunger und Armut erleiden müssen.
Die Realität des Fastens weicht allerdings zumindest innerhalb unserer deutschen Bevölkerung stark von ihren theoretischen Idealen ab: Viele Menschen hierzulande können sich mit Religionen kaum noch identifizieren und sehen keinerlei Grund im Verzicht ihrer Luxusgüter. Zudem mangelt es oftmals an der richtigen Motivation oder fällt schwer, genügend Disziplin zu bewahren.
Wer dünn sein will, muss hungern?
Doch trotz des Fehlens einiger dieser Eigenschaften fasten viele Deutsche dennoch. Zumeist zwar nicht aufgrund religiöser Weltanschauungen oder aus solidarischem Mitgefühl gegenüber der Unterernährten, dafür aber ihrer Figur zuliebe. Nur die Wenigsten in unserer modernen Gesellschaft haben bisher keine Diäten ausprobiert. Beinahe jeder scheint ständig damit beschäftigt zu sein, sein Körpergewicht zu reduzieren und sich notfalls sogar durch Hungern oder Fastenstreiks schlank zu schummeln. In der Tat gelten viele Deutsche als zu dick, Auswertungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden zeigen sogar, dass über die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig ist. Zur notwendigen Gewichtsreduktion in Verbindung mit Sport und einer gesunden Ernährung mag Fasten hin und wieder vielleicht eine gute Alternative zu langfristigen und einseitigen Diäten sein.
Gefährlich wird es jedoch dann, wenn der Verzicht gewisser Grundnahrungsmittel zur dauerhaften Lebenseinstellung wird. Denn sobald fragwürdige Schönheitsideale der Modeindustrie uns vorschreiben, welche Kleidergrößen wir zu tragen haben und etliche neue „Diätrevolutionen“ uns einreden, wir wären zu groß, zu dick, zu schwer, verfallen viele Menschen einem oftmals gefährlichen Diät-Wahn. Magersucht und Bulimie entwickeln sich zu Modekrankheiten, die bedrohliche Ausmaße für die Betroffenen annehmen und sogar bis zum Tode führen können.
Der große Unterschied zum modernen Mager-Wahn
Doch hat dieser radikale Diätwahn überhaupt noch etwas mit dem ursprünglichen Sinn des Fastens gemeinsam? Auch wenn die Methoden, auf bestimmte Nahrungsmittel zu verzichten, sich dem ersten Anschein nach gleichen, gibt es enorme Differenzen und vollkommen anders gelegte Prioritäten und Ziele zwischen den beiden Arten: Das Fasten als Vorbereitung auf kirchliche Feiertage dient vor allem der persönlichen Einsicht darüber, dass der Luxus unserer Konsumgüter keinesfalls selbstverständlich ist und daher viel mehr geschätzt werden sollte.
Das strikte Abnehmen aufgrund rein ästhetischer Idealvorstellungen hingegen ist weitaus oberflächlicher. Es hat weder etwas mit innerer Einkehr oder Neuausrichtung noch mit persönlicher Einsicht oder Erkenntnis zu tun. Im Gegenteil wirkt der Mager-Wahn unserer Gesellschaft ethisch sogar äußerst verwerflich, wenn man sich nur gelegentlich an die vielen hungernden Menschen weltweit erinnert. Diäten und ein gesundes Abnehmen sollten zwar nicht grundsätzlich verurteilt werden, allerdings keinesfalls mit den tiefsinnigen Intentionen der Fastenzeit gleichgesetzt werden dürfen.
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