Wie jedes Jahr stellt sich der ESC-Fan wieder dieselben Fragen: Wer macht am Ende das Rennen beim weltweit größten und spektakulärsten Musikfest der Welt? Und wie schneidet Deutschland ab? Um euch die Entscheidung ein wenig leichter zu machen, gehe ich auf einige der Finalisten etwas näher ein.
Ukraine setzt auf Aussehen und Bühnenpräsenz
Die Reise kreuz und quer durch Europa beginnt heute Abend mit der Ukraine. Das momentan von Krisen gebeutelte Land tritt mit der 20-jährigen Maria Yaremchuk an. In ihrem fetzigen Pop-Song „Tick-Tock“ dreht sich alles um die Faktoren Liebe und Zeit. Die sprachenbegeisterte Studentin will vor allem durch ihre Bühnenpräsenz brillieren. Optisch wird sie durch einen Mann unterstützt, der in einem überdimensional großen Hamsterrad im Hintergrund seine Runden dreht. Inwiefern dies mit dem Text zusammenhängt, bleibt allerdings schleierhaft. Seit ihrer Erstteilnahme im Jahr 2003 resultierten für die Ukraine sieben Top-Ten-Platzierungen. Allen voran Ruslana, die sich 2004 den Sieg beim weltweit prestigeträchtigsten Musikwettbewerb sicherte. Ob die aktuelle politische Debatte einen Einfluss auf das Endergebnis der Ukraine haben wird, steht noch in den Sternen.
Farbenfrohes und Ausgefallenes aus Island
Nach einem Stück weißrussischen Käsekuchen und einem feurigen Auftritt von Dilara Kazimova aus Aserbaidschan machen wir einen Stopp auf Island. Die Nordländer treten in diesem Jahr mit einem mitreißenden Pop-Rock-Titel an. Die Band Pollapönk (übersetzt: Pfützen-Punk) treten mit ihrem Song „No Prejudice“ für eine Welt ohne Vorurteile, Diskriminierung und mit Toleranz und Offenheit ein. Unter diesem Motto wollen die vier vollbärtigen Skandinavier nach zuletzt vier erfolglosen Jahren den Eurovision Song Contest erstmals überhaupt auf die Vulkaninsel holen. Auf Twitter wurde bereits massenhaft über die schrillen Isländer gezwitschert – hauptsächlich aufgrund ihrer auffallend bunten Kleidung.
Armenien peilt erstmaligen Sieg an
Carl Espen sorgt dafür, dass uns ein ruhiger Sturm weg von Island über Norwegen treibt. Auf dem Weg Richtung Osten begegnen wir auch dem rumänischen Duo, das mit ihrem poppigen Dance-Song „Miracle“ trotz Allem wohl auf ein Wunder hoffen muss, um am Ende als Sieger von der Bühne zu gehen. Schlussendlich halten wir im einsam abgelegenen Armenien, welches bei den Buchmachern die Rangliste deutlich anführt und damit Titelaspirant Nummer Eins ist. Aram Mp3 visiert mit seiner dramatischen Dubstep-Ballade „Not Alone“ ebenfalls den erstmaligen Triumph seines Heimatlandes an. Optisch wird sein Auftritt mit aufwändigen Lichteffekten und Feuerdüsen verstärkt.
Conchita Wurst – Eine Frau für Toleranz und gegen Diskriminierung
Nachdem Sergej Cetkovic aus Montenegro uns einen Einblick in seine Welt gewährt, demonstriert Polen uns, was slawische Frauen wirklich in sich haben. Nach einem „Rise Up“ in den griechischen Pop-Olymp, bleiben wir doch direkt in himmlischen Regionen. Conchita Wurst, mit bürgerlichem Namen Tom Neuwirth, verpasst uns mit ihrer kraftvollen Stimme in dem Titel „Rise Like A Phoenix“ eine ordentliche Portion Gänsehaut. Die 25-jährige Österreicherin sticht allerdings nicht nur durch ihren Gesang heraus. Ihr einzigartiges Aussehen – eine Frau mit Bart – polarisierte in den letzten Monaten stark. Sogar so weit, dass eine Bürgerinitiative in Weißrussland entstand, die sich gegen die Übertragung des österreichischen Beitrages im weißrussischen Fernsehen aussprach. Mit ihrem unvergleichlichen Look will Conchita ein Zeichen für Toleranz und Akzeptanz setzen. Am heutigen Abend könnte sie zu einer großen Überraschungsfigur avancieren.
Deutsches Trio mit geringen Siegeschancen
Direkt im Anschluss holt uns das deutsche Musikerinnentrio Elaiza wieder auf den Boden der Realität zurück. Angeführt von der Sängerin Elzbieta Steinmetz, setzten sich die Berlinerinnen beim deutschen Vorentscheid gegen renommierte Künstler wie Unheilig, Oceana oder die Baseballs durch. Mit ihrem Titel „Is It Right“, der durch Akkordeon und Kontrabass begleitet wird, möchte Elaiza nun auch die europäischen Zuschauer begeistern. „Is It Right“ dreht sich darum, Entscheidungen zu treffen. Dass es nicht immer so einfach ist, den richtigen Weg zu finden", erklärt Frontfrau Elzbieta. Die Chancen auf eine vordere Platzierung der dreiköpfigen Band stehen gemäß Wettquoten jedoch nicht sehr aussichtsreich.
Italien mit Rockerbraut – Spanien vertraut auf Ballade
Direkt im Anschluss – mit Startnummer 13 – folgt Helene Fischer, allerdings in einer schwedischen Version. Mit der Pop-Ballade „Undo“ setzt Sanna Nielsen auf Herzschmerz und Drama. Bei den Buchmachern rangiert die 29-jährige Sängerin auf dem zweiten Platz. Bevor Italiens Emma Marrone die Bühne rockt, gibt es allerdings noch eine geballte Ladung Zwillinge. Während das französische Trio Twin Twin nach einem Schnauzbart strebt, versuchen die Tolmachevy Sisters im rieselnden Glitzerregen mit „Shine“ zu glänzen. Gefolgt von der stimmgewaltigen Ruth Lorenzo aus Murcia (Spanien), werden die slowenische Flötistin Tinkara Kovac und die finnische Boyband Softengine alles geben, um das europäische Publikum zu überzeugen.
San Marino schreibt Eurovision-Geschichte
Die Sternenjäger aus der Schweiz sowie die Geschichte von einem misshandelten Mädchen im Songtext von Ungarn werden uns die nächsten sechs bis sieben Minuten prägen. Hinterher folgt die maltesische Band Firelight. Geht man nach dem Video will die sechsköpfige Gruppe mit dem Song „Coming Home“ diejenigen ehren, die im ersten Weltkrieg nie nach Hause kamen. Basim aus dem Gastgeberland Dänemark sorgt kurz darauf mit seinem „Cliché Love Song“ für gute Stimmung. Bevor Newcomerin Molly Smitten-Downes mit ihrer Powerstimme die Runde der 25 Finalisten abschließt und durch „Children Of The Universe“ die jahrelange Misere der Briten endlich beenden möchte, bringen uns der erstmalige Finalist San Marino und das niederländische Duo The Common Linnets mit ihren Balladen zum Träumen.
Überraschung oder erwarteter Erfolg?
Wer wird denn am Ende des Abends um Mitternacht nun den Sieg bei der 59. Ausgabe des Eurovision Song Contests davontragen? Ist es der Kronfavorit bei den Buchmachern, Aram Mp3 aus Armenien? Ist es Schwedens sentimentale Pop-Ballade? Oder sorgt ein Außenseiter am Ende für einen Paukenschlag? Auch Eurovision-Experte Dr. Irving Wolther hat sich zu dem bevorstehenden Abend geäußert. Auf die Frage, wer am Ende an der Spitze des Klassements landen wird, konnte er sich aber nicht eindeutig festlegen: „Ich kann es wirklich nicht sagen. Ich denke, es wird ein ziemlich enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen mehreren Ländern, darunter Schweden, Norwegen und Ungarn. Österreich polarisiert sehr stark – ich kann mir nicht vorstellen, dass Europa da auf einen gemeinsamen Nenner kommt.“ Eins ist jedoch sicher: Egal wer am Ende triumphieren wird, es wird wieder ein musikalisch hochstehendes und unterhaltsames Ereignis werden. Viel Vergnügen beim Zuschauen!
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