Durch die Corona-Pandemie müssen wir lernen, allein zu sein. Das ist eine Chance, sich selbst wirklich kennenzulernen. Was macht mir Freude? Und wie kann ich mich selbst verwöhnen? Darüber sprechen wir im neuen #Eingebüxt-Podcast.

Hör Dir hier den Podcast an. #Eingebüxt, Folge 5, kannst Du hier starten:
Die Tage werden kürzer und es regnet viel. Es ist draußen so ungemütlich, dass man es sich drinnen umso schöner wünscht: Mit Lichterketten und leckerem Essen, mit Kerzen, Wein und den Liebsten. Dabei können die Liebsten in Zeiten einer weltweiten Pandemie zum größten Problem werden. Wenn sie über 65 sind, zum Beispiel. Oder eine angeborene Lungenkrankheit haben, ein schwaches Immunsystem oder einfach Pech. Schütze, was du liebst, klingt mehr nach dem Titel eines Kriminalromans, als nach einer politischen Richtungsweisung. Das hat sich in diesem März verändert. Wir hören oft, dass die Welt, so wie wir sie kennen, nicht wiederkommt. Weil wir uns vor Ungewissheit fürchten, schützen wir uns mit Erinnerungsmandalas, während wir Familienfeiern und Reisen auf das kommende Jahr verschieben. Wird schon. Das denken wir, bis wir nachmittags alleine in der Wohnung sitzen und die Tapete anstarren.
„Ich habe Angst vorm Winter“, habe ich noch nie so oft gehört, wie in diesen Tagen. Der aktuelle Spiegel philosophiert über einen zweiten Lockdown und ich frage mich, warum eine Hand voll Menschen eine große Menschenmenge gefährden. Und die deutsche Volkswirtschat für die nächsten Jahrzehnte dazu. Es ist zu leicht gesagt, dass die junge Generation nicht auf Partys verzichten kann und ignorant ihre Freiheit lebt, die früher oder später allen die Freiheit nehmen wird. Es ist auch zu einfach gedacht, dass den Jungen eine mögliche Infektion egal ist, weil der Krankheitsverlauf zum Großteil nur milde Symptome zeigt. Auch die junge Generation hat Großeltern. Ich liebe meine Oma. Und ich war am Wochenende trotzdem in einer Bar. Mit Hygienekonzept. Wir sind gut im „magical thinking“ und darin, uns einzureden, dass alles schon nicht so schlimm kommen wird – um unsere Freunde sehen zu können und ein Stück Fake-Normalität zu konservieren. Aber was steckt hinter dieser chronischen Flucht in Geselligkeit?
Die lähmende Einsamkeit
Laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung bestehen in Deutschland 42% aller Haushalte lediglich aus einer Person. Tendenz steigend. Gleichzeitig sinkt das gesamtdeutsche Empfinden von Einsamkeit, außer bei den Menschen zwischen 18 und 30 Jahren. Also die von der Politik gefürchteten potentiellen Covid-Superspreader, die Raver, die Generation Y. Vielleicht kommt unser Bedürfnis nach Tanzen und Trinken, Gemeinschaft und Gruppendynamik aus einem Gefühl latent-chronischer Einsamkeit, das wir in Gesellschaft betäuben können. Haben wir ein strukturelles Einsamkeits-Problem? Wir müssen uns das als junge Generation fragen, weil dieser Winter anders werden wird. Menschen tanzen nicht gerne in Winterjacke und private Raves dürfen keine Alternative sein. Wenn wir mit Opa an Heilig Abend Rotkohl essen wollen, dann müssen wir uns im Alleinsein üben, ohne uns von der Einsamkeit betäuben zu lassen. Das klingt plakativ – ist aber so. Allein sein, ist weder uncool noch langweilig. Es ist wichtig, um sich neu zu fokussieren und sich von einer Welt auszuruhen, die so schnell und laut redet, dass man Schwierigkeiten hat, mitzukommen. Allein sein, bedeutet Runterkommen und Verarbeiten, Energie sammeln und Träumen, Kontakt mit Menschen halten, die nur übers Telefon zu erreichen sind, Selbstreflektion und Fantasie.
Ein einsamer Mensch klappt jetzt wahrscheinlich seinen Laptop zu und fühlt sich hinters Licht geführt. Utopisches Alleinsein, wird er sagen, und die Autorin dieses Textes durch den Bildschirm fragen, ob sie sich schon einmal so richtig einsam gefühlt hat? So einsam, dass der Kopf ganz benebelt ist von dem Gefühl der Leere. So einsam, dass sich alles taub anfühlt, sogar die kalten Hände. So einsam, dass man das Gefühl hat, von niemandem vermisst oder geliebt zu werden. So einsam, dass man unfähig ist, aktiv zu sein, weil sich alles trivial anfühlt. Ja, so habe ich mich schon gefühlt. So fühle ich mich immer mal wieder. Und ich glaube viele Menschen kennen das Gefühl, nichts mit sich selbst anfangen zu können. Das ist so normal wie schade. Aber sobald wir das erkannt haben, können wir uns gegen die Einsamkeit stellen und sie irgendwann in positive und produktive Me-Time verwandeln. Warum ich das weiß, lieber wütender Einsamer? Weil ich es selbst praktiziere. Und weil es funktioniert, wenn man sich selbst eine Chance gibt.
Selbstliebe ist ein großes Wort – Fang mit Dating an
Wenn Selbstmitleid und der Vergleich mit dem spaßigen Leben der Anderen auf Instagram keine Lösungen für glückliches Alleinsein sind, dann sollten wir uns darin üben, selbstzerstörerische Aktivitäten einzustellen und stattdessen mit etwas zu beginnen, das uns Freude macht. Manchmal ist diese Frage schon eine große Herausforderung. Weil wir vor Corona selten allein gewesen sind, wissen wir gar nicht, was uns gerade gut tut. Ich finde die Vorstellung eigentlich sehr aufregend, dass wir uns selbst ganz neu und viel ganzheitlicher kennenlernen (und erfinden) können, wenn wir gezwungen sind, Zeit mit uns selbst zu verbringen.
Ich habe zum Beispiel gelernt, dass ich mich durchaus behandeln darf, wie meine beste Freundin. Ich darf auch für mich alleine lecker kochen und ich darf auch für mich eine Kerze anzünden. Ich kann endlich das Buch lesen, was ganz unten in dem Stapel der ungelesenen Bücher neben meinem Bett klemmt und ich kann eine Doku über den Mond gucken. Warum auch nicht? Aktiv zu sein, bedeutet nicht, in einem einzigen Winter Arabisch zu lernen oder ein Musical zu komponieren. Aktiv sein, beginnt im Kopf. Und in kleinen Schritten. Sich selbst zu erlauben, es sich gut gehen zu lassen, ist wohl das größte Geschenk, was man sich selbst machen kann: Sich nicht nur in rauchigen Kneipen mit einem Bier zu belohnen, sondern mit einer Badewanne, die nach Lavendel riecht, einer albernen Gesichtsmaske, oder einem Harry-Potter-Marathon.
Die aktuelle Situation wird nicht für immer andauern. Wir werden nicht dauerhaft jede gesellschaftliche Zusammenkunft moralisch abwiegen müssen. Es wird die Zeit kommen, in der wir auch wieder unbeschwert tanzen und knutschen gehen können. Wir wissen alle, was jetzt zu tun ist und wir sind alle mehr als verbotene Raver. Wir dürfen uns trauen, Zeit mit uns selbst zu verbringen. Wir dürfen uns trauen, Einsamkeit zu spüren und wir dürfen mutig und selbstbewusst dieser Einsamkeit entgegensteuern. Letztendlich sind wir die einzige Person, mit der wir den Rest unseres Lebens verbringen werden – wäre doch toll, wenn wir diese Zeit auch genießen. Und uns, wenn wir das gerade nicht können, daran erinnern, dass es sehr vielen anderen Menschen sehr ähnlich geht. Nicht umsonst lautet das diesjährige Jugendwort ‚lost‘.…
Christina Lopinski und Corinna Koch sind gemeinsam #eingebüxt. Sie sind junge Medienmacherinnen Anfang zwanzig, die finden, dass es an der Zeit ist für etwas frisches Blut in der Medienbranche. Deshalb führen sie ihren Podcast in Eigenregie durch, diskutieren gesellschaftliche Probleme und persönliche Fragestellungen. Eben all die Themen, die die Generation Twentysomething beschäftigen. Gemeinsam mit f1rstlife gestalten Chrissi und Coco in eingebüxt ihre Vision eines weiblichen, jungen Journalismus – zu hören bei Spotify, Apple oder Google Podcast.
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