Die Vorfreude war groß. "Looking forward to meeting the weird family (again)!", schrieb Jacob Bilabel, Gründer der Green Music Initative, zwanzig Tage vor Beginn der Konferenz. Und so wunderte es niemanden, dass sich Montag morgens um halb neun etliche Personen im Wissenschaftszentrum in Bad Godesberg in den Armen lagen und sich angeregt über ihr Jahr austauschten. Viele hatten noch ihren Koffer im Schlepptau, einige Augenringe von der langen Anreise, aber ausnahmslos alle waren hochmotiviert.
Green Rocks!
Nach Smalltalk und ein paar Tassen Kaffee gab Holger Jan Schmidt, Organisator der Konferenz, schließlich den Startschuss für den anregenden Mix aus Diskussionen und Vorträgen rund um das Thema Nachhaltigkeit in der Veranstaltungs- und Festivalbranche. Viele namhafte Festivals waren mit ihren Repräsentanten vertreten: das Exit Festival in Serbien, Rock am Ring und Open Air St. Gallen sowie das Shambala Festival in England sind da nur ein kleiner Bruchteil. Holger Jan Schmidt selbst betrieb mit seiner Geschäftspartnerin Sabine Funk jahrelang das kostenlose Open Air Festival "Rheinkultur", das bis 2011 einmal jährlich in der Bonner Rheinaue stattfand und nach wie vor als Aushängeschild für umweltbewusste Festivals gilt. Die Message ist klar: Green rocks! Und deshalb standen nach den Eröffnungsreden von Angelika Kappel (Bürgermeisterin der Stadt Bonn), Eberhardt Neugebohrn (Stiftung Umwelt und Kultur des Landes NRW), Teresa Moore (Bucks University) und Jacob Bilabel (Green Music Initiative) auch alle Teilnehmer auf, richteten sich zur Kamera und sagten „Green rocks!“ – stumm, in Gebärdensprache.
Die Qual der Wahl
Vierzehn anregende Sessions rund um das Thema Nachhaltigkeit und Events standen den Teilnehmern danach zur Auswahl. Für viele war es eher die Qual der Wahl, denn einige der Vorträge fanden zeitgleich statt. Schwerpunktmäßig ging es in den Veranstaltungen in diesem Jahr um die Frage, wie man die immensen Müllberge von Festivals vermeiden kann, unter anderem die riesigen Plastikmengen, die die Umwelt schwer belasten. Auch alternative Cateringmöglichkeiten auf Veranstaltungen spielte eine große Rolle. So hat das Way Out West Festival in Schweden sein Angebot ohne Vorwarnung auf Vegetarisch umgestellt. Geht das eigentlich? Catering ohne Fleisch? Darüber wurde heiß diskutiert.
Drei Experten mit drei vollkommen verschiedenen Sichtweisen argumentierten zu diesem Thema. Die Ernährungswissenschaftlerin Anne Landhäußer von der Universität Ulm betrachtete das Thema aus einem physiologischen Standpunkt, Hendrik Haase von Slow Food Germany – ein absoluter Vertreter aus der Pro-Fleisch Reihe – kann sich ein Leben ohne Fleisch gar nicht vorstellen und Niklas Lundell vom Way Out West in Schweden brachte den gespannten Zuhörern das fleischlose Catering näher. Trotz vollkommen unterschiedlicher Ansichten kamen sie am Ende der Diskussion zu einem gemeinsamen Standpunkt: macht einfach, aber macht es gut.
Taste the waste
Was in den Vorträgen diskutiert wurde, setzte die Konferenz selbst um: das Mittagessen an beiden Tagen wurde komplett ohne Fleisch serviert. Stattdessen gab es saftiges Bauernbrot, Käse und eine riesige Auswahl an Salaten. Am Dienstag sorgte besonders das Slow Food Youth Network für Aufsehen, die nach ihrem Vortrag auch das Catering übernahmen und in der Küche das „culinary UPcycling“ starteten. Hendrik Haase und sein Team um Nadja Flohr-Spence und Kathrin Schwermer-Funke übernahmen kurzerhand das Catering für über hundert Personen. Die Lebensmittel dazu wurden nicht im Supermarkt gekauft oder angeliefert, sondern bestanden aus hässlichem Gemüse.
Bauerhöfe rund um Bonn stellten GreenEvents das Obst und Gemüse zur Verfügung, das nicht ganz so ansehnlich ist, nicht der Norm entspricht und somit nie im Supermarkt, sondern in der Tonne gelandet wäre. Aus diesem „Müll“ entstand nach stundenlangem Schnippeln, Würzen und Pürieren ein schmackhaftes Buffet, das unter dem Motto „Taste the waste“ (Probiere den Müll) präsentiert wurde. Die Aktion stieß auf großen Anklang, selbst der Hauscaterer des Wissenschaftszentrums fragte später nach bestimmten Rezepten. Und die Konferenzteilnehmer ließen sich den Brotpudding, die winterliche Gemüsesuppe und den Blumenkohlsalat mit gutem Gewissen schmecken.
Prägende Erlebnisse
In der „Elefantenrunde“ stellte Jacob Bilabel den teilnehmenden Sprechend schließlich die Frage nach ihrem prägendsten Erlebnis zum Thema Nachhaltigkeit. Carsten Schumacher, Chefredakteur von Festivalguide, erinnerte sich besonders an ein Heavy Metal Festival, bei dem hunderte von Besuchern ihre Zelte abfackelten. „Der Campingplatz sah aus wie Armageddon – was einerseits ziemlich cool war, weil es ja ein Metal Festival war, aber andererseits auch einfach nur furchtbar.“ Für Claire O’Neill von „A Greener Festival“ war es das Konzert einer Band, die sie mit ihrem Neffen besuchte. Der Sänger trat irgendwann nach vorne ans Mikrofon und forderte die Zuhörer dazu auf, zu ihren Zelten zu gehen und sie niederzubrennen. Für Holger Jan Schmidt war es die Rheinkultur, die bereits deprimierend begann, weil es in der Nacht zuvor zu einer Brandstiftung kam, die „in ihrer Sinnlosigkeit seinesgleichen sucht“ (Pressemitteilung vom 9.10.2011). „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, bekannte Schmidt.
Pilotprojekt „Green Team on Tour“
Doch auch erfreulichere Themen wurden behandelt, unter anderem auch das viel gelobte Pilotprojekt „Green Team on Tour“, das von jobmensa.de und Sounds for Nature Foundation e.V. ins Leben gerufen wurde. Das Green Team bestand in diesem Jahr aus den drei Mädels Annika Rudolph, Luisa Gajewksi und Katharina Weber, die im Sommer fünf Wochen lang von Festival zu Festival durch Deutschland reisten, um zu schauen, wie das Thema Nachhaltigkeit auf Veranstaltungen tatsächlich umgesetzt wurde. Dafür führten sie Interviews mit Künstlern und Veranstaltern, besuchten nachhaltige Unternehmen im Umkreis der Festivals und reisten auf nachhaltigem Wege – nämlich mit dem Zug. Über ihre Erlebnisse und Erfahrungen bloggten sie Texte, Videos und Fotos. Auf der GreenEvents Conference stellten sie außerdem diverse Fotocollagen zu verschiedenen Themen aus und dokumentierten die Konferenz mit Videos und Kurzinterviews.
Es besser machen
Nach drei Tagen Diskussionen, Treffen und Networking hieß es allerdings Abschied nehmen. Die Vorträge und Gesprächsrunden konnten längst nicht alle Fragen beantworten – das ist auch gar nicht möglich. Dennoch gab es viele Anregungen und Ideen, die in der nächsten Festival-Saison umgesetzt werden können. „Ich bin ausgesprochen glücklich über die Konferenz. Sie war noch viel besser, als ich mir erträumt hätte. Wir haben nahezu in allen Bereichen zugelegt, auch die Qualität der Sessions nochmal steigern können und das Feedback ist zum Teil nahezu euphorisch“, sagte uns Holger Jan Schmidt zum Abschluss der Konferenz. „Und doch habe ich selbst wieder vieles mitgenommen, das ich vielleicht noch besser machen möchte“, fügte er hinzu. Denn darauf kommt es bei der GreenEvents Konferenz schließlich an: die Welt ein kleines bisschen besser machen und den ökologischen Fußabdruck von Festivals und Veranstaltungen minimieren.
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