Erst vor wenigen Wochen wurde das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel begangen (15. August), nun, am 8. September, feiert die Kirche den Anbeginn ihres irdischen Weges. Dass viele Gedenktage von Heiligen auf deren Sterbetag zurückzuführen sind, dürfte mit zur mangelnden Geläufigkeit des Festes beigetragen haben. Hauptsächlich rückte aber die Erhebung der Unbefleckten Empfängnis zum Dogma im 19. Jahrhundert den Geburtstag Mariens in den Hintergrund.
Älter als die Immaculata-Lehre
Dieses Dogma besagt nämlich, dass Maria schon vom Moment ihrer Zeugung an von der Erbsünde, also der Sündenverstricktheit aller Menschen, befreit gewesen ist. Doch Überlieferungen bezeugen, dass für Christen Mariä Geburt wesentlich früher als die Unbefleckte Empfängnis von Bedeutung war. So ist es kein Wunder, dass ein mittelalterlicher Theologe wie Thomas von Aquin (†1274) sich nicht deutlich für ein Fest, das nur in einigen Ortskirchen, nicht aber in Rom begangen wurde, aussprechen wollte (vgl. Sth III q.27) und Bernhard von Clairvaux (†1153), der wahrscheinlich größte Marienverehrer des Mittelalters, sich sogar gegen die Einführung eines solchen Festtages verwahrte.
Der Franziskanertheologe Johannes Duns Scotus (†1308) versuchte eine theologische Begründung, welche die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen mit der Vorstellung von der Erbsündenfreiheit Mariens versöhnte, indem er die Vorstellung einer Erlösung Mariens im Voraus propagierte. Maria ist die Ersterlöste der Schöpfung und im Hinblick auf Jesu Verdienste von der Erbsünde befreit. Eine prägnante Formulierung, die fälschlicherweise Anselm von Canterbury (†1109) zugeschrieben wurde, diente dabei als Beweisgrund: „Decuit, potuit, ergo fecit.“ – „Es gehörte sich, er (d.h. Gott) konnte es, daher tat er es.“ Das Hochfest um den Ehrentitel Immaculata wurde dann erstmals 1477 auf Veranlassung des Franziskanerpapstes Sixtus IV. für die ganze Weltkirche verbindlich gefeiert. Schlussendlich war es Papst Pius IX., der am 8. Dezember 1854 das Dogma der Unbefleckten Empfängnis (Immaculata Conceptio) verkündete. An diesem Tag wird es nach wie vor auch gefeiert und wer rechnen kann, stellt fest: Neun Monate nach dem 8. Dezember kann Maria ihren Geburtstag feiern.
Bewegte Geschichte eines Gotteshauses
Seinen Ursprung hat das Fest Mariä Geburt übrigens der Tatsache zu verdanken, dass an einem 8. September in Jerusalem eine Kirche der heiligen Anna, der Mutter Mariens geweiht wurde. Wer sich die Geburt Mariens vergegenwärtigen will, muss in die Krypta hinuntergehen, die der Überlieferung zufolge auf das Geburtshaus Mariens zurückzuführen sein soll. Eine an dieser Stelle errichtete byzantinische Kirche wurde aber 1009 zerstört. Als das 12. Jahrhundert christliche Kreuzritter in das Heilige Land brachte, errichtete man den heute noch sichtbaren massiven, romanischen Bau. Jedoch blieb das Gotteshaus nicht allzu lang in christlicher Nutzung, nach der Eroberung Jerusalems durch Saladin 1187 wurde es zeitweise in eine Koranschule umgewandelt und verfiel im Laufe der Zeit zusehends. Ab dem 19. Jahrhundert konnte die Kirche dank dem französischen Kaiser Napoleon III.schließlich wieder Christen zur Feier von Gottesdiensten übergeben werden und wurde aufwändig renoviert. Die unmittelbare Nähe zum Teich Betesda, an dem Jesus dem Evangelisten Johannes zufolge einen Gelähmten geheilt haben soll (Joh 5,1-18), lässt diesen Ort wundersam, eben nicht ganz von dieser Welt erscheinen.
Zentrale Aussagen des Festes
Einer frühchristlichen Legende zufolge, die sich auf das Protoevangelium des Jakobus zurückführen lässt, sollen Anna und ihr Mann Joachim hochbetagt und kinderlos gewesen sein, als Anna nach der Verheißung eines Engels doch noch unerwartet schwanger wurde und neun Monate später Maria gebar. Die Parallele zu Abraham und Sara ist kaum übersehbar und in dieser Geschichte deutet sich bereits an, dass mit dem Neuen Bund der Alte nicht aufgehoben ist, sondern mit ihm vielmehr Gottes Plan zur gänzlichen Erfüllung kommen wird (vgl. Mt 5,17). Schon im 6. und 7. Jahrhundert wurde das Fest sowohl in der West- als auch in der Ostkirche begangen und Papst Sergius I. zählte es neben der Verkündigung, der Aufnahme in den Himmel und der Reinigung (Lichtmess) als eines der vier im römischen Kalender bekannten Marienfeste auf. Sein Gedenktag fällt im Übrigen auch auf den 8. September. Dass die Kirche nur drei Geburtsfeste in größeren Rahmen feiert, fiel mittelalterlichen Theologen auf und sie legten die Naturzustände zur jeweiligen Jahreszeit in symbolischer Art und Weise aus: Nämlich wird die Geburt Johannes’ des Täufers um die Zeit der Sonnenwende als ein den Tag ankündigender Morgenstern versinnbildlicht, Mariens Geburt dagegen als Morgenröte, die Nacht und Finsternis vertreibt, und schließlich Jesu Geburt an Weihnachten als Bild der aufgegangenen Sonne, die die Menschen erlöst.
Maria: Das Ja Gottes zum Menschen, das Ja des Menschen zu Gott – von Beginn an
Anders aber als in der paganen Religion, einer Vermutung des syrischen Theologen Dionysius bar Salibi (†1171) nach sollen findige Christen der ersten Jahrhunderte das Fest des heidnischen Sonnengottes in Weihnachten umdeklariert haben, geschieht Gottes Menschwerdung still, armselig in einem Stall in der Provinz Judäa, weit weg vom Machtzentrum Rom (vgl. kontrastierend die römischen und griechischen Götterabenteuer, bspw. den sich in einen Stier verwandelnden Zeus). Das „Ja“ Mariens zu Gott mag vielleicht als völlig unbedeutend für den Verlauf der Weltgeschichte erscheinen, aber letztlich liegt in diesem Moment das Heil der Menschen, für uns und für alle. Durch sie, einem unbekannten jungen Mädchen, tritt Gott in die Welt ein. Maria hat von Anfang an bei Gott Gnade gefunden, bereit, demütig den Willen des Herrn als Magd zu erfüllen (vgl. Lk 1,26-38). Auch wir sind berufen, Christus zur Welt zu bringen, den Erlöser, dessen Friedensmacht die Welt in ganz besonderer Weise bedarf. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Papst Franziskus den 7. September, den Vortag zum Fest Mariä Geburt, als „einen Tag des Fastens und Betens für den Frieden in Syrien, im Nahen Osten und in der ganzen Welt“ ausgerufen hat.
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