„Weiblich“ oder „männlich“ reichen nicht mehr – für Menschen ohne eindeutiges biologisches Geschlecht soll jetzt eine dritte Option geschaffen werden. Nach Innenminister Seehofer (CSU) können intersexuelle Menschen sich künftig in der Kategorie „anderes“ eintragen lassen. Dagegen stellen sich jedoch Justizministerin Barley (SPD) wie auch die Familienministerin Giffey (SPD), die den Ausdruck als herabsetzend empfinden. Sie bevorzugen die Begriffe „weiteres“ sowie „divers“ oder „inter“. Ob sich die Situation für intersexuelle Menschen damit wirklich spürbar verbessert, steht leider nicht mehr im Fokus der Debatte. Ein Kommentar.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober vergangenen Jahres ist die Bundesregierung nun gefordert, bis Ende 2018 im Geburtsregister einen dritten Geschlechtseintrag einzuführen. Auch soll intersexuellen Menschen das Recht erteilt werden, ihr Geschlecht als „positiv“ eintragen zu können. Die andere Option, die sonst noch bleibt, ist, die Möglichkeit zu schaffen, den Eintrag der Geschlechtszugehörigkeit beim Standesamt in Zukunft ganz wegzulassen.
Der aktuelle Streit zwischen SPD und Union beschäftigt sich derzeit nur noch damit, wie die Bezeichnung dieses „dritten“ Geschlechtes lauten soll. Die Sinnhaftigkeit des Unterfangens wird nicht mehr bezweifelt. Nach Angaben des Deutschen Ethikrates gibt es in Deutschland rund 80.000 intersexuelle Menschen.
Außenstehende stellen sich daher mitunter die Frage, ob bei einer relativ niedrigen Anzahl von Betroffenen, die ungefähr nur 0,097 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, die Bundesverfassungsrichter bei der Begründung ihres Urteils mehr als nur die juristischen Argumente des Verstoßes gegen das Personenstandsgesetz und gegen die Persönlichkeitsrechte im Kopf hatten. Es liegt der Gedanke nahe, dass die Richter sich bei der Verkündung des Urteils zusätzlich von einen aktuell durch die Gesellschaft forcierten Druck zur Modernisierung beeinflussen ließen.
Die Beschleunigung eines vermeintlichen gesellschaftlichen Fortschritts in Genderfragen wird in den letzten Jahren immer wieder verstärkt von Akteuren aus dem politisch linken Spektrum gefordert. Diese fühlen sich derzeit bestärkt durch eine in den Medien teils heftig geführte und zum teil stark polarisierende, facettenreiche Geschlechterdebatte.
Eine differenzierte Diskussion sucht man vergebens
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) beweist wenig sachliches Feingefühl in der Diskussion um das „dritte Geschlecht“: Sie wirft Intersexuelle mit den Forderungen der LGBT-Community in einen Topf, obwohl viele Intersexuelle nicht von LGB vereinnahmt werden wollen. Zudem wird das Ganze dann noch kräftig mit der Debatte um „genderstar“ sowie „gendergap“ vermischt. Was hilft es einem Menschen, der durch eine Uneindeutigkeit der Chromosomen biologisch nicht eindeutig einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen ist, ob im Duden jetzt Wörter wie „Kolleg*_innen“ vorkommen?
Zudem ist Intersexualität ein hoch komplexes Thema und nicht alle Menschen, die unter den Begriff „intersexuell“ fallen, sind gleich. Es gibt sicherlich eine Vielzahl von Personen, bei denen biologisch die Zuordnung zu männlich oder weiblich schwierig ist. Nicht alle von ihnen verstehen sich jedoch als einem dritten Geschlecht zugehörig, sondern fühlen sich als Mann oder Frau.
In einer sehr ausführlichen Reportage der Nachrichtenplattform t-online.de über das Thema Intersexualität äußert sich beispielsweise eine 57-jährige intersexuelle Person über die mögliche Gefahr eines Schubladen-Denkens mit folgenden Worten zum Urteil: „Auch ein drittes Geschlecht bildet die Realität nicht ab, weil dadurch jede Person, die nicht als ‚normal‘ oder als nur ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ eingestuft wird, in das Sammelbecken der dritten Option abgeschoben wird. In dieser dritten Gruppe wären dann lauter Menschen, die sich untereinander wieder sehr stark voneinander unterscheiden.“
Die SPD, genauso wie die Union, schießen hier heftig am Ziel vorbei. Die bürokratische Konstruktion eines „dritten Geschlechts“ schafft in erster Linie eine weitere Kategorisierung jener Menschen und suggeriert, dass diese dennoch anders sind als die Mehrheit der Bevölkerung. Eine Form der positiven Diskriminierung wird hier geschaffen, die höchstens denjenigen dienlich ist, die zeigen möchten, dass sie anders sind und sich weder als Mann noch als Frau identifizieren.
Diese diskriminierende Kategorisierung erkennt auch der Verein „Aktion Transsexualität und Menschenrecht“ (ATME) und reagiert dementsprechend negativ in einem Facebook-Eintrag auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „Noch eine Schublade mehr. Wenn wir nicht aufpassen, dann wird es noch schwieriger werden diesen zu entkommen“, so die Aktivisten, die in der Praxis eine weitere „geschlechtliche Fremdbestimmung“ befürchten. Weiter schrieben sie: „Wenn wir in Zukunft statt 2 Geschlechtern 3 haben: Was ist eigentlich mit den Menschen, die sich zwischen Geschlecht 1 und 2 oder zwischen 2 und 3 empfinden?“
Die Instrumentalisierung des Themas seitens der LGBT-Lobby
Ob ein weiterer Eintrag im Personenstandsrecht die revolutionäre Änderung ist, die intersexuelle Menschen unbedingt benötigen, bleibt fragwürdig. Jemand der, sich selbstbewusst als „inter“ bezeichnet, hat dabei sicherlich nicht die Hilfe des Staates benötigt. Er hat entweder Akzeptanz oder Ablehnung in seinem Umfeld erfahren.
Der Eintrag ins Geburtsregister schützt daher weder vor Diskriminierung, noch hilft er intersexuellen Menschen weiter, die weder als „inter“ noch als „anderes“ bezeichnet werden wollen, sondern einfach nur den Wunsch haben, normal zu sein. Menschen, die sich eben nicht von LGBT-Gruppen instrumentalisiert werden möchten, deren Problem nicht direkt etwas mit sexueller Orientierung zu tun hat, sondern rein medizinischer Natur ist. Und wo die politische Linke in ihrem Eifer den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, macht es eine Union, vor allem ein CSU-Minister Seehofer, keinen Deut besser.
Die Büchse der Pandora wird geöffnet – neue juristische Stolpersteine für Arbeitgeber
Ein Programm, sowie die Förderung privater Einrichtungen zur Unterstützung intersexueller Menschen, wäre allen voran kostengünstiger und ressourcenschonender als die derzeitigen Planungen der Regierung. Denn das neue Gesetz birgt die Gefahr, dass es ein Ankerpunkt wird für eine Welle an zivilrechtlichen Klagen gegen vermeintliche Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) steht der Bewerbungsprozess für eine Stelle jetzt schon unter besonderer rechtlicher Beobachtung.
Die Konsequenzen, die dieses Gesetz mit sich ziehen wird sowie die unüberschaubaren Folgen, können jetzt noch nicht konkret bestimmt werden. Einige konkrete Auswirkungen für die Arbeitwelt können jedoch schon mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden, wie der Rechtsanwalt Janis Block von der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle es in einem Beitrag der Zeitschrift Focus detailliert beschriebt.
Es können neue Kosten für Arbeitgeber entstehen, wenn es darum geht, weitere sanitäre Einrichtungen und Umkleideräume für Angestellte eines „dritten Geschlechtes“ zur Verfügung zu stellen. Ein weiteres Problem wird es zudem bei geschlechtsspezifischen Kleiderordnungen geben. Darf es dann noch beispielsweise im Fall einer Fluggesellschaft ein eigenes Outfit für die Stewardess geben oder kann eine Person, welche weder weiblichen noch männlichen Geschlechtes ist, dann eine eigene auf sein „drittes Geschlecht“ zugeschnittene Uniform verlangen? Auch das viel diskutierte Thema der Frauenquoten nimmt dann eine ganz andere Dimension an, wenn man annimmt, dass der logische Schluss dann in Zukunft auch eine Einführung einer Quote für Personen eines „drittes Geschlechtes“ sein muss.
Mehr Vertrauen in die Zivilgesellschaft ist nötig
Es besteht also die Gefahr, dass dieses Gesetz viel mehr Folgen für unsere Gesellschaft zeigen wird, als man annehmen würde. Neue gesellschaftliche Entwicklungen sind damit nicht per se schlecht. Ihre Akzeptanz sollte aber aus der Mitte der Gesellschaft erwachsen. Dies vor allem deswegen, weil hier gerade an vertrauten Werten gerüttelt wird, die zu einer gefährlichen gesellschaftlichen Entwurzelung führen könnten. Gerechte Bedingungen für intersexuelle Menschen zu schaffen, ist demnach Aufgabe der Zivilgesellschaft, also der Bürger selbst, und nicht in erster Linie die des Staates.
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