Kommunikation, wohin man blickt und hört. Als im Jahre 2010 erstmals mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland ein Smartphone besaßen, zeichnete sich bereits ein Trend ab, der bis heute nicht zur Ruhe gekommen ist. Spätestens im Oktober 2013 hatte sich diese Zahl verdreifacht. Gegenüber dem konventionellen Handy haben die „intelligenten Telefone“ in der Tat ihre Vorteile: Durch einen Internetzugang ist man unterwegs nicht mehr nur in der Lage, zu telefonieren und (aus der heutiger Sicht betrachtet) komplizierte Nachrichten zu versenden. Nein, man kann mithilfe einer einhergehenden praktischen Touch-Bedienung auch praktische Anwendungen bequem steuern, wie auch auf das Internet zugreifen. Die Möglichkeit des mobilen Internets fungiert gerade mobil unglaublich vielseitig: Man hat mithilfe von Online-Enzyklopädien kostenlos Zugriff auf die meisten Informationen. Man kann neben den SMS auch seine E-Mails checken und seine Twitter-Follower über den aktuellen Standort informieren. Das klingt zunächst nach einer großen Hilfe.
Wer herrscht über wen?
Allerdings haben die Smartphone-Nutzer nicht selten den Eindruck einer „Verselbstständigung“ ihrer praktischen Kommunikationsweise zu erleben. Durch die Einfachheit und Praktikabilität des ständigen Online-Seins sind die Nutzer geradezu herausgefordert, diesem Wunsch ihres Bekanntenkreises auch nachzukommen. Man selbst verlangt Kommunikation, also wird man selbst von der Kommunikation auch ständig erfragt und erduldet die Vorwürfe derer, die einen zeitweiligen Offline-Status nicht tolerieren. Hinzu kommt, dass bei aller Nützlichkeit auch das für unser Leben entscheidende Moment der Aktualität allzu oft hintenüber fällt. Ein Pärchen verstummt in der Eisdiele für zwei Minuten im Dialog – Grund genug, das Smartphone zu zücken, um wahlweise einen Livestream zu verfolgen oder den Freunden über das Rendezvous zu berichten. Hinzu kommt die schleichende Verlagerung unserer Lebens- und Arbeitsbereiche auf das Smartphone, die ja wiederum auch sehr einfach und damit attraktiv ist: sei es mithilfe eines „smarten“ Kalenders, als Wecker oder als Kamera. Man überträgt viele Funktionen auf sein Handy und bemerkt das Beherrscht-Sein durch das eigene Handy erst, wenn es einmal fehlt.
Braucht der moderne Mensch ein Handy?
Allzu leicht beantwortet man ob der schieren Menge der Nutzer diese Frage mit einem klaren „Ja“. Ohne ein Handy ist man heutzutage schnell „draußen“, partizipiert nicht am gesellschaftlichen Leben. Allerdings verliert man im Zweifel leicht die Aktualität des Augenblicks, da man sich als User ständig aus der jeweiligen Situation herausreißen lässt. Konservative Kommentatoren haben wahrscheinlich nicht ganz unrecht, wenn sie auf die gegenläufige Entwicklung des Menschengeschlechtes hinweisen, die mit allzu häufigem Mobilfunkverkehr einhergehe: Der dank der Evolution aufrecht gehende Mensch unterjocht sich seinem Gadget und geht wieder bucklig. Nichts mit „homo erectus“. Von Zeit zu Zeit muss man auch abschalten können – aber so einfach ist das nicht, der Erwartungsdruck ist bekanntlich hoch. Ein Verweis auf die uns vorangegangenen Generationen, welche ohne Mobilfunkgeräte auskamen, ist dabei genauso kurz gegriffen wie der Hinweis an John Alva Edison, er möge doch seine Forschungen einstellen und sich mit Fakellicht begnügen – dies liefere doch genug Lumen.
Einfach abschalten und aussteigen?
Kurzum: Die Entscheidung zu einem Leben bzw. einer Lebensspanne (und sei es nur eine Woche; das ist in der Welt, die niemals schläft, schon viel) ist eine mehr oder weniger ganzheitliche. Das hängt davon ab, in wie weit man sich schon von dem eigenen Handy abhängig gemacht hat. Letztlich wird man aber auch nur auf diese Weise bemerken können, wie stark man schon selbst nicht mehr Herr seines dienstbaren Gerätes ist. Auch das Verständnis des Umkreises mag nicht überzeugen, permanente Anwesenheit ist bei den meisten peer groups inzwischen Pflichtprogramm. Die Sehnsucht nach Entschleunigung, wie auch die Überforderung mit einer allzu schnellen Digitalisierung, sprechen allerdings eine eindeutige Sprache: zu viel Erreichbarkeit ist auch nicht das Wahre. Die Erkenntnis aber, wie weit der Strudel der Kommunikation das eigene Selbst schon in sich gesogen hat, wird nur gewonnen, wenn man den Versuch wagt: Abschalten und prüfen, ob und wie man ohne leben kann.
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