Deana Mrkaja ist Journalistin in der Onlineredaktion der Berliner Morgenpost. Als Head of Social Media betreut sie dort alle sozialen Kanäle und führt Trendanalysen durch. Mit mir sprach sie über die Unterschiede von Print- und Onlinejournalismus, warum es keine Rolle spielt, ob sich die Leute mit einem Katzenvideo oder einer Terrorattacke beschäftigen und wieso es nervt, als Lügner beschimpft zu werden.

Worin genau bestehen Deine Aufgaben?
Ich bin einfach Redakteurin, aber es ist doch meistens sehr vielfältig, was man macht – vor allem in Online-Redaktionen, wenn man nicht mehr nur klassisch schreibt. Ich mache gleichzeitig auch die Betreuung der ganzen Social-Media-Kanäle und suche in den sozialen Netzwerken nach Themen auf der ganzen Welt, die wir für uns für Berlin aufbereiten können. Ich versuche, alles im Überblick zu haben und mit verschiedenen Tools, die es so auf dem Markt gibt, zu schauen, was auf der Welt so abgeht. Es ist keine klassische Position.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Dir aus? Gehst Du als Onlinejournalistin noch morgens um 9 Uhr ins Büro?
Ich fange tatsächlich um 9 an. Dann gehe ich in die Redaktion und verschaffe mir eigentlich immer erst einen Überblick über die Nacht, was geschehen ist in Berlin und auf der Welt. Um 10 Uhr haben wir eine Konferenz, in der die Themen des Tages abgesprochen werden. Das ist eine kleine Konferenz für den Berlin-Teil. Um 11 Uhr ist eine große Konferenz, in der die ganze Zeitung besprochen wird und auch, was online passiert. Und dann heißt es einfach arbeiten. Aber was den Rest betrifft: Unvorhergesehenes kann ja immer passieren, deshalb ist es immer ein bisschen schwierig zu sagen, wie der Rest abläuft. Aber im Normalfall arbeitest du vor allem an deinen Themen, arbeitest sie ab. Es ist schon auch eine relativ große Routine in der Sache.
Wo liegt der Unterschied zwischen Print- und Onlinejournalismus?
Ich glaube, der Onlinejournalismus bietet ganz andere Möglichkeiten. Heutzutage kann es sich ein Journalist nicht leisten, nur schreiben zu können. Wenn du kein Gespür hast für Bilder oder was einen guten Artikel ausmacht, wenn er online ausgespielt wird – das ist nicht gleichzustellen mit einem Printartikel. Da muss man schon ein bisschen mehr mitbringen. Technisches Verständnis dafür, wie Dinge wie Google oder Facebook in ihren Algorithmen funktionieren, gehört auch dazu. Ich glaube, heute ist das deutlich komplexer. Früher hattest du dein Thema, du hast deinen Text geschrieben und dann hat irgendjemand anderes ein Foto ausgesucht, irgendjemand anderes hat es gelayoutet und irgendjemand anderes hat es in den Druck gegeben. Heute machst du als Onlineredakteur alles.
Klingt sehr umfassend. Kannst Du überhaupt noch trennen zwischen Privatem und Job?
Nein, der Job dominiert. Das ist auch nicht negativ gemeint, aber man wird vor allem aufnahmefähiger. Wenn wir jetzt diesen Anschlag am Breitscheidplatz nehmen, der ja relativ spät am Abend passierte, da sind viele Redakteure natürlich schon zu Hause gewesen. Dann empfinde ich es als Selbstverständlichkeit, sofort in die Redaktion zu kommen und zu arbeiten, obwohl ich eigentlich frei habe. Ansonsten glaube ich, kann man als Journalist irgendwann keine Grenzen mehr ziehen zwischen Job und dem, was privat ist. Ich glaube, es lauert immer irgendwo eine Geschichte.
Welche Ziele verfolgst Du als Journalistin?
Als Journalistin möchte ich mit meiner Arbeit irgendetwas ändern, indem ich die Leser über ein Thema aufkläre. Es geht nur um Aufklärung im Journalismus. Wenn die Leute über meine Arbeit am Ende nachdenken, egal in welcher Form, dann habe ich mein Ziel erreicht. Ich glaube, da spielt das Thema keine Rolle, sondern eher das Ergebnis.
Würdest Du sagen, dass sich Deine Arbeit durch Social Media verändert hat?
Ja extrem. Social Media bietet auf der einen Seite die Möglichkeit, Themen zu generieren, weil du sie dir aus sozialen Netzwerken holst, weil du siehst was die Leute beschäftigt. Sei es eine Terrorattacke oder irgendein lustiges Katzenvideo, das spielt erst einmal keine Rolle. Aber man hat einen guten Überblick über das, was Menschen weltweit beschäftigt. Man kann nicht die Anzahl von Facebook-Usern ignorieren, das ist einfach enorm. Auf der anderen Seite hast du eine sofortige Resonanz. Wenn ich einen Printartikel in der Zeitung veröffentliche, dann muss sich der Mensch, der darauf reagieren möchte, erst einmal hinsetzen und einen Leserbrief schreiben.
Jetzt postest du etwas und hast ein paar Sekunden später eine Reaktion – positiv oder negativ. Du hast sofort ein Feedback, reagierst darauf, veränderst etwas, gehst auf Kritik ein. Manchmal verbessern die dich auch und die Kommentatoren haben manchmal ja auch Recht, so ist es nicht. Das ist so eine kleine Arroganz der Printjournalisten: Die veröffentlichen ihren Text, dann hat sich die Sache für sie erledigt und sie fühlen sich irgendwie toll. Damit kann ich nichts anfangen. Heutzutage das zu ignorieren, was deine Konsumenten dir sagen, das ist unglaublich hochnäsig und unverschämt. Im Onlinejournalismus interagierst du immer mit deinen Usern. Das ist eine ganz andere Art des Journalismus: Deine Arbeit bleibt nie wieder unkommentiert. Und ich glaube das macht den riesigen Unterschied.
Ich kann mir vorstellen, dass der direkte Kontakt mit Deinen Usern auch manchmal unschön werden kann.
Es gibt natürlich die schwarze Seite der Macht: Das sind irgendwelche Shitstorms oder diese Beschuldigungen, man würde „Lügenpresse“ betreiben. Das geht natürlich nicht spurlos an dir vorbei. Es ist jetzt nicht so, dass ich zu Hause sitze und heule, aber es ist eher so, dass man irgendwann mal so abgenervt ist davon, jeden Tag dieselben Kommentare zu lesen. Ich kann das echt nicht mehr hören, aber das gehört halt auch dazu. Das ist die schlechte Seite von Social Media.
Inwiefern beeinflusst das Deine Arbeitsweise?
Zum einen willst du, dass die Leute deinen Artikel lesen und versuchst, sie in der ersten Zeile schon zu kriegen, damit sie draufklicken. Da fängt schon vieles an. Wenn wir beispielsweise einen Angriff haben durch einen Geflüchteten, standen wir oder stehen wir bis heute immer vor der Frage: Muss man nennen, dass das ein Geflüchteter war? Und sobald du beispielsweise solche Täterbeschreibungen weglässt, weil sie erst einmal irrelevant sind, erntest du sofort einen Shitstorm, weil die Leute sich dann irgendwelche Sachen zusammenreimen, die vielleicht gar nicht stimmen. Und dann fängt wieder irgendeine Hetze an. Es ist echt so, dass du sagen kannst „Es regnet“ und dann schreiben die Leute darunter „Die Geflüchteten sind schuld“.
Du bist immer allem ausgeliefert. Und wenn du einen Fehler machst, was ja auch vorkommt, ist er in der Öffentlichkeit. Und das hat die Arbeit schon verändert. Zum Guten, weil man vielleicht noch mehr recherchiert und der Sache immer gründlicher nachgeht. Aber auch zum Schlechten, weil man vielleicht bewusst Themen in sozialen Medien auslässt.
Vielen Dank für das Gespräch!
In Kürze folgt der zweite Teil des Interviews. Dort erfährst Du mehr über Deana´s persönlichen Werdegang und die Tücken des Berufseinstiegs in den Journalismus.
Ein schönes Interview!