„Viele Missverständnisse entstehen dadurch, dass ein Dank nicht ausgesprochen, sondern nur empfunden wird.“ (Ernst R. Hauschka). Ist es nicht so, dass in unserer schnelllebigen Zeit zu selten „Danke“ gesagt wird? Dabei kann ein einfaches „Danke“ sehr viel Positives bewirken. Ein Impuls.

„Wenn du noch einmal drohst, die Polizei anzurufen, dann schlage ich dich grün und blau. Wenn du noch einmal wagst, dich draußen blicken zu lassen, schlage ich dich kaputt“. Heftige Faustschläge gegen meine Wohnungstür rissen mich donnerstagnachmittags aus meinem Nickerchen. Noch im Halbschlaf habe ich die Tür aufgemacht und vernahm die oben zitierten Worte.
Nach dem einschüchternden Gespräch mit dem Herrn schloss ich die Tür und schlich zu meinem Bett, wo ich noch in voller Schockstarre zusammensackte und in Tränen ausbrach. Ich verstand die Welt nicht mehr, war vollkommen konsterniert und zitterte am ganzen Leib. Womit hatte ich das verdient? Die exakten Gründe zum Zustandekommen dieser Situation würde ich nur zu gerne verraten, aber um mich zu schützen, bleiben meine Lippen versiegelt. Gesagt sei nur so viel, dass ich den Herrn an die gefühlten 100 Male gebeten habe, gewisse Respektlosigkeiten mir gegenüber zu unterlassen und ihm darauffolgend gedroht habe, bei nochmaligem Vorkommen die Polizei zu verständigen.
Verarbeitungsmaßnahmen
Ich versuchte das gerade Erlebte mit Musik zu verarbeiten, die Emotionen aus mir hinausströmen zu lassen und wieder einen einigermaßen gefassten Zustand zu erreichen. Schließlich konnte ich mich ja nicht die ganze Zeit in meiner Wohnung verkriechen. Ein paar Stunden nach dem Erlebnis traute ich mich hinaus aus meiner Wohnung, aus dem gedanklichen Gefängnis. In der Außenwelt angekommen, schaute ich vorsichtig um mich, ob nicht irgendwo eine Gefahr lauerte. Ich versuchte mich zusammenzureißen. Ich nahm ein Buch zum Lesen mit, drückte es fest an meinen Unterleib, als würde es mich schützen. Ich blickte in die Gesichter der Menschen, die an mir vorbeischritten. Eine Miene grimmiger als die andere.
Ein Moment tiefster Dankbarkeit
Auf dem Weg zum Supermarkt kaufte ich mir unterwegs bei einer Bäckerei eine Aprikosenschnitte. Ich stellte der Verkäuferin ein paar Fragen zum Produkt selbst und bedankte mich anschließend für die Infos darüber. Es war ein einfaches Gespräch über ein Gebäck, mehr nicht. Als ich den Laden verließ, verspürte ich für diese simple Unterhaltung eine unendliche Dankbarkeit, die ich in der Form selten erfahren durfte. Ich vermute, es war Dankbarkeit, diesen Moment noch erleben zu dürfen, in der Angst, demnächst nicht mehr da zu sein oder das restliche Leben in einem komatösen oder verkrüppelten Zustand zu verbringen.
Sind wir zu undankbar?
In unserer heutigen Gesellschaft nehmen wir viele Sachen als selbstverständlich wahr. Wir stehen morgens auf, leben dahin, leben ein Leben, das nicht unseren Werten, nicht unseren Vorstellungen entspricht. Einige spielen sich ihre Glückseligkeit nur vor und verdrängen die negativen Gefühle, hinterfragen ihr Leben nicht. Andere leben nach den Normen der Gesellschaft und schränken sich dadurch zusehends ein. Ist das Leben nicht ein Geschenk? Zeigen wir mit derartigen Handlungs- und Denkweisen unsere Dankbarkeit für dieses Geschenk oder drücken wir damit bloß Verachtung aus? Natürlich wurden wir nicht gefragt, ob wir überhaupt hier sein wollen auf dieser Welt, die so viel Grausames, aber auch so viel Schönes zu bieten hat. Aber wenn wir doch schon die Möglichkeit haben zu leben, warum tun wir es dann nicht? Sterben müssen wir sowieso alle. Also kann auch jeder versuchen. das Beste daraus zu machen.
Gefühl der Dankbarkeit nur in Ausnahmefällen
Wir haben ein warmes Zuhause, können aus einem riesigen Vorrat an Essen schöpfen, sind umgeben von zig Menschen, leben im reinsten Luxus im Vergleich zu anderen Regionen auf dieser Welt, wo Krieg herrscht, Menschen hungern und Familie alles bedeutet. Und wir merken es nicht, weil wir von klein auf nichts Anderes kennen. Oft ist diese vergleichsweise paradiesische Lebensführung nicht einmal gut genug und wir beschweren uns gar darüber. Tiefste Wertschätzung und Dankbarkeit äußern sich leider oft nur in lebensbedrohlichen, überlebenswichtigen Lagen oder während wir ein tiefes Tal aufgrund eines schmerzvollen Erlebnisses durchschreiten müssen.
Einfach nur Danke sagen
Was würde wohl geschehen, wenn wir ab und zu mal Danke sagen würden? Wenn wir uns für die einfachsten Dinge bedanken würden? Beim Umfeld, bei der Verkäuferin, beim Klavierspieler auf der gegenüberliegenden Straßenseite, der uns die Mittagspause mit seinen Klängen versüßt? Was würde mit unserem Gemütszustand und der Person, bei der wir uns bedanken, wohl passieren? Dankbarkeit und Wertschätzung lassen sich in so vielen Formen ausdrücken.
Danke, dass mir dieses Leben geschenkt wurde und ich die Möglichkeit habe es auszuleben wie ich es möchte – bis zu einem gewissen Grad zumindest. Und obwohl es keineswegs die beste Methode ist, einem diese Dankbarkeit begreiflich zu machen: Danke lieber Mann, dass du mich mit dem Tod bedroht hast und mich wieder dazu gebracht hast, danke zu sagen und zu verstehen, dass eigentlich gar nichts auf dieser Welt als selbstverständlich angesehen werden sollte.
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