Der Mensch ist ein soziales Wesen und fühlt sich in Gruppen oder Familienverbunden am wohlsten. Es gibt aber auch die Einzelgänger und Dauersingles, die trotz ihrer attraktiven Erscheinung sich bereits seit Jahren aufgrund eines Traumas allein durchs Leben kämpfen.
Schauen wir uns zunächst die Begrifflichkeit des Traumas gemäß des Dudens an. Der Begriff wird in zwei Bereiche unterteilt: Im medizinischen Kontext wird hierunter eine durch Gewalteinwirkung entstandene Verletzung verstanden. Im psychologischen Sinn handelt es sich um eine starke psychische Erschütterung, die [im Unterbewusstsein] noch lange wirksam ist. Dieser Ausdruck – „ein Trauma haben; erleiden“ – entstammt dem Griechischen und wird übersetzt mit „Verletzung, Wunde“.
Ein Trauma ist somit ein zutiefst erschütterndes Ereignis, welches auf einen Menschen einwirkt und aufgrund des Härtegrades nicht verarbeitet werden kann. Traumata können wir in jedem Lebensalter erleiden, sobald ein traumatisches Erlebnis von außen auf uns einwirkt, welches uns zutiefst erschüttert und von uns als außergewöhnliche Bedrohung empfunden wird.

Bindungs- und Entwicklungstrauma und seine Auswirkungen
In diesem Artikel möchte ich auf das Thema „Bindungstrauma“ eingehen und darstellen, wie sich dies im späteren Leben auf unser Beziehungsleben auswirkt. Ein Bindungs- oder auch Entwicklungstrauma entwickelt sich in der frühen Lebensphase unseres Lebens. In dieser Zeit ist das Neugeborene bzw. das Kleinkind abhängig von seiner primären Bezugsperson, welche zuweilen die Mutter darstellt.
Wird in dieser Zeit nicht adäquat auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen, kann dies in dem kleinen Wesen Ängste hervorrufen,. Das Kind kennt in seinem noch nicht vollentwickelten Hirn lediglich die Modi Existenz (Leben) oder Vernichtung. In dieser Phase ist das Kind abhängig von der Zuwendung seiner Mutter. Sein Überleben hängt von der Aufmerksamkeit dieser primären Bezugsperson ab. Die Mutter legt somit den Grundstein für das spätere Bindungsverhalten.
Mutter-Kind-Beziehung als Ursache für Beziehungsunfähigkeit
Wenn zu diesem nicht adäquat verlaufenden Umsorgungskonzept der Mutter noch weitere suboptimale Handlungen an dem Kind vollzogen werden, wie z.B. Gewalt durch Schläge oder auch verbale Attacken, wird dies in dem Kind ein schweres Bindungstrauma hervorrufen, welches sich später in einer Beziehungsunfähigkeit äußern kann.
Dr. med Dunja Voos beschreibt es in Ihrem Buch „Schatten der Vergangenheit – Trauma liebevoll heilen und innere Balance finden“ wie folgt: […] “Diese Ängste sind oft bei den Menschen so extrem, die eine furchtbare Mutter-Kind-Beziehung erlebt haben. Der Elternteil, der Schutz bieten und beruhigen sollte, war gleichzeitig der Elternteil, von dem immer wieder Gefahr ausging. Wie sollte man das einordnen können?
Es stellte das Kind vor eine unauflösbare Situation, die in seinem Inneren bis heute weiterlebt.“ […] Traumatisierte Menschen sehnen sich zutiefst nach einer festen und tiefen Bindung zu einem anderen Menschen, sind aber zuweilen aufgrund ihrer Erlebnisse nicht fähig, eine funktionierende Beziehung einzugehen. Und das ist das Traurige an dieser Thematik.
Betroffene neigen dazu, ihr Trauma zu reinszenieren
Diese frühe von Unsicherheit geprägte Mutter-Kind-Beziehung überträgt sich nun eins zu eins auf unsere nahen zwischenmenschlichen Beziehungen. Gut möglich also, dass Traumatisierte dazu neigen, Unsicherheiten mit negativen, gedanklichen Szenarien auszufüllen und ihre Beziehung somit selbst zu zerstören. Diese Vorgehensweise ist ihnen lieber als weiterhin in dieser Unsicherheit zu verharren und etwas offen zu halten.
Hinzu kommt, dass die Betroffenen unbewusst ihr Trauma reinszenieren. In gewisser Weise spielen sie ihr Trauma in ihren Partnerbeziehungen nach. Wenn der Betroffene z. B. als Kind von seiner Mutter allein gelassen wurde und nun mit einem Menschen, der aus verschiedensten Gründen nicht immer für seinen Partner/in da sein kann, eine Beziehung eingeht, dann verursacht dieser im Jetzt erlebte Zustand einen Stress, wie dieser bereits in der damaligen Situation erlebt wurde.
Ein Trauma ist eine körperliche Angelegenheit. Das Gefühl ist immer noch tief im Körper verankert. Der Stress wird somit reaktiviert und die manifestierte Angst angetriggert. Häufig kommt es dann zu Kurzschluss-Reaktionen. Dass diese Reaktion aber eigentlich der Mutter gilt und nicht dem jetzigen Beziehungspartner, darüber muss man sich, als Betroffener, erst einmal klar werden.
Die Seele schreit nach Befreiung
Die frühe Bindung stellt das Fundament für das Leben dar. Ein Mensch, der dieses Fundament nicht hat, muss deutlich mehr Energie aufwenden, um sein Leben zu meistern, als ein Mensch, der in einer liebevollen Umgebung, unterstützend durch seine nahen Bezugspersonen aufgewachsen ist und in seinem Sein und Leben gefördert wurde. Nicht selten geraten Betroffene im späteren Leben in eine depressive Lebensphase.
Der Lebenssinn wird in Frage gestellt und die große Frage nach dem „warum?“ macht sich breit. Aus meiner Sicht stellt dies einen Mechanismus des Körpers und des Geistes dar, da die Seele um Befreiung schreit. Wenn wir dies spirituell betrachten, dann macht die Seele darauf aufmerksam, dass dieses schmerzliche Leben nicht seine Berufung darstellt. Der Körper und auch die Seele will sich entwickeln und eins werden mit sich, dem Sein und dem Leben.
Das Trauma sitzt im Körper, in unserer Seele und ist mit dem Verstand nicht greifbar. Um das Trauma aufzulösen, bedarf es einer umfänglichen Psychotherapie mit einem / einer mitfühlenden Therapeut(in).
Heilung durch neue positive Beziehungserfahrung
Ein Mensch mit einem Bindungstrauma hat keine festen Wurzeln im Leben schlagen können und fühlt sich somit mit dem Leben nicht wirklich verbunden oder gestützt. Viele Betroffene entwickeln eine Persönlichkeitsstörung und haben ihr Leben lang mit einer tiefen inneren Leere zu kämpfen. Tief im Inneren fehlt ihnen der eigene Nährboden, aus welchen sie selbst schöpfen können, da aufgrund der fehlenden Liebe und Zuwendung der Mutter nicht viel bis gar nichts gesät wurde.
Traumatisierte Menschen werden ihr Leben mit einem tiefen Misstrauen, Unsicherheiten, Ängsten und einem eher negativen Selbst- und Fremd- bzw. Weltbild bestreiten müssen. Keine positiven Affirmationen werden diesen Zustand heilen können. Man kann, als Betroffener, nur lernen, damit umzugehen. Die einzige Möglichkeit, die eine langfristige Linderung des Traumas hervorrufen kann, ist eine andauernde, von Sicherheit geprägte Beziehung mit mindestens einem anderen Menschen aufzubauen und so neue, positive Beziehungserfahrungen zu erleben. Ein guter Anfang kann hier schon die Bindung zu seinem Psychotherapeuten darstellen.
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