Angst ist ein sehr starkes Gefühl. Sie kann einen schlagartig überrollen, oder sich still und leise in unser Bewusstsein schleichen. Bei manchen ist sie ein Bestandteil, der fortwährend da ist. Und sich mal lauter, mal leiser meldet. Mal eine Aktion erfordert, die Emotion auszuleben oder schlichtweg lähmt. In diesem Artikel möchte ich euch aufzeigen, wie sich die Angst in meinem Leben geäußert hat, wie sie heute noch in Erscheinung tritt und wie ich versuche damit umzugehen.

Ich habe die Angst in meinem Leben lange nicht wahr genommen. Bei mir äußerte sich die Angst nicht in Traurigkeit oder Gelähmt-Sein, sondern in Wut. Wütend war ich sehr oft. Wenn mich jemand kritisiert hat, oder mein Chef mich auf der Arbeit lediglich darauf hingewiesen hat, meine Pausenzeiten zu beachten. Dies hat meine fest verankerte innerliche Unsicherheit getriggert, sodass ich meiner Urangst, nicht genug zu sein, in einem Schwall Aggression Luft gemacht habe.
Unverhältnismäßig bin ich einfach ausgerastet und habe meinen damaligen Chef, der im Übrigen doppelt so groß und breit wie ich war, auf das Heftigste angeschrien und so meiner Wut freie Bahn gelassen. Dass dies nicht gerade sozialverträglich war und mir im Ende meinen Job gekostet hat, war eine Erfahrung, die ich daraufhin machen durfte.
Destruktive Verhaltensweisen geboren aus der Angst
Lange Zeit in meinem Leben habe ich ähnliche Verhaltensweisen an den Tag gelegt, welche ich immer wieder mit meinem italienischen Temperament erklärt habe und damit, dass ich eben so bin. Außerdem hat der andere mich ja ständig provoziert. Ich sah mich als Opfer der Umstände und der Menschen um mich herum.
Erst später im Rahmen meiner Psychotherapie habe ich erkannt, weshalb ich derartige (destruktive) Verhaltensweisen gelebt habe. Der Grund dahinter war ein fehlendes Urvertrauen und eine fest verankerte (Verlust-) Angst, welche ich tief in mir hegte.
Fehlendes Urvertrauen als Basis für Bindungsangst
Das Urvertrauen bildet sich in den ersten Jahren deines Lebens. Als neugeborenes Kind kommst du auf die Welt und bist zunächst – bis du dein Erwachsenen-Ich vollendet hast – vollkommen abhängig von deinen Eltern bzw. nahen Bezugspersonen.
Wenn in dieser Zeit bereits Situationen aufkommen, in welchen das Kind in Todesängste gerät, eben weil sich die Mutter nicht richtig kümmert und auf die existenziellen Bedürfnisse des Kindes eingeht, dann kann dies schon eine Verlustangst und ein Mangel an Urvertrauen in dem Kind manifestieren. Später wird sich dies vorwiegend im Erwachsenenalter und in nahen zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen und äußern. Dies kann auch ein Grund für eine Bindungsangst sein.
Abhängigkeit und Autonomie – Ein Drahtseilakt
Meine Beziehungen zu meinen Partnern waren entweder geprägt von vollkommener Abhängigkeit, durch ständiges Denken an diesen „geliebten“ Menschen, das fortwährende Warten, bis man sich (endlich) wiedersieht und das bunte Ausmalen einer gemeinsamen Zukunft mit diesem Partner, der einen vollkommen komplettiert und „ganz“ macht. Im Grunde habe ich mich in all meinen vergangen Beziehungen verloren, meine Bedürfnisse und Wünsche hinter denen meines Partners angestellt und mein Leben vollkommen auf diesen Menschen ausgerichtet.
Ich brauchte den anderen, um mich selbst zu spüren und mir eine Identität zu geben. Dann war ich halt die Freundin von XY, der ja so erfolgreich ist. Dadurch gab ich mir dann ja auch wieder einen Wert. Einen Wert, den ich mir selbst, aufgrund meiner suboptimal verlaufenden Kindheit, nicht selbst geben konnte. Ich hatte es nie wirklich gelernt mich wertvoll zu fühlen. Nicht gerade eine erfüllende Lebenseinstellung, wenn man sich ständig in anderen Menschen sucht.
Oder aber ich war Single und hatte keine Beziehung. War somit vollkommen autonom und auf mich selbst fokussiert. Dann erzählte ich mir selbst die Geschichte, dass ich keinen Partner brauche, denn im Grunde brauche ich ja niemanden. Mein Leben habe ich schon immer alleine gemeistert, ohne Hilfestellung und Liebe. Und im Grunde wurde ich bereits als Kind mir selbst überlassen.
Du siehst, mal wieder ein Hin- und Herschwanken zwischen zwei Extremen. Schwarz oder weiß – Borderline-Style par excellence.
Vermeidungsstrategien – eine Ursache für Beziehungsunfähigkeit
Bindungsunfähigkeit und Bindungsangst ist ebenfalls ein Indikator für eine bestehende Verlustangst. Denn ein Vermeidungsverhalten ist auch eine Bewältigungsstrategie, um nicht mit seinen Ängsten konfrontiert zu werden und diese in irgendeiner Weise verspüren zu müssen. Das tut ja auch weh, ist unangenehm und meist schwerlich zu ertragen. Ich kann dir ein Liedchen davon singen, da meine Therapie mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass ich nun genau an diese Punkte herangeführt werde. Doch Ängste müssen aufgelöst werden, sodass sie dich in deinem Erwachsenen-Sein nicht mehr belasten. Und ein Leben voller Vermeidung zu führen, sich nicht richtig auf andere Menschen oder Bindungen einlassen zu können, ist weder erstrebenswert noch der Sinn des Lebens.
Mein Vermeidungsverhalten bestand immer darin, mich Situationen zu entziehen. Wenn mir jemand zu nahe kam und es in irgendeiner Weise hätte ernst werden können, habe ich Gründe gesucht, den anderen von mir zu stoßen. Meist mit Anschuldigungen, welche (meist, aber nicht immer!) vollkommen aus der Luft gegriffen waren und den anderen in eine Position der Erklärungsnot gebracht haben. Gemäß dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“. Oder ich war einfach weg, habe die Flucht ergriffen – heutzutage nennt man dies „Ghosting“. Allesamt Verhaltensweisen, um mich mit meiner Angst nicht auseinandersetzen oder diese gar verspüren zu müssen.
Die Angst nimmt dir die Möglichkeit ein erfülltes Leben zu führen
Auch heute habe ich noch Ängste. Meine größte Angst ist die Angst vor der Vereinnahmung. Mich nochmal so in einem anderen Menschen zu verlieren, dass es mich zerstört und kaputt macht, wie in meiner letzten toxischen Beziehung mit einem Narzissten.
Und trotz dieser Angst ist es für mich keine Option ewig alleine zu bleiben. Den Ausgleich zwischen Abhängigkeit und Autonomie in meiner Partnerschaft zu finden ist eine Ziel, auf welches ich hinarbeite. Denn trotz meiner Bindungsangst habe ich auch noch einen Traum im Leben: Ich möchte irgendwann eine erfüllte Beziehung führen ohne Drama und Toxizität und irgendwann möchte ich heiraten. Eine Frau von XY sein und trotzdem eigenständig und unabhängig in meinem Sein, meiner Identität.
Und genau deshalb lasse ich mich nicht mehr von meiner Angst lähmen. Wenn sie mich wieder überrollt, sich mir zeigt, dann werde ich sie willkommen heißen, mit Neugier betrachten und sie fragen was sie mir aufzeigen will. Welches unverarbeitete Gefühl in mir drin da noch mit herein spielt und gefühlt werden will. Denn es handelt sich um eine (Körper-)Reaktion, welche gefühlt und gesehen werden möchte. Dies ist der Schlüssel zur Auflösung unverarbeiteter Gefühle, hin zu einem erfüllteren Leben.
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