Es ist früher Abend. Mein Telefon klingelt. Eyüp ruft an: „Komm wir fahren spontan nach Köln. PEGIDA will gegen uns demonstrieren. Lass uns zu den Gegendemonstranten gehören und zeigen, dass Deutschland ein multikulturelles Land ist!“ Es kam ein Gefühl von motivierendem Ehrgeiz in mir auf. Ich zog mich wärmer an, nahm den Autoschlüssel, holte Eyüp ab und begab mich auf die A57 Richtung Köln.
Nachdem uns die Stoßrichtung der PEGIDA-Bewegung verständlich wurde, fing es im Bauch an zu kribbeln. Es war ein komisches Gefühl, zu wissen, dass Menschen nach Köln kommen, die gegen uns sind und unsere Anwesenheit nicht wünschen. Angekommen in Köln, parkten wir das Auto im Parkhaus. Auf dem Weg zum Deutzer Bahnhof trafen wir einige PEGIDA-Anhänger, jedoch nur in Kleingruppen. Es wurden nur 800 Anhänger für die Demonstration in Köln angekündigt. Hingegen waren etwa 2.000 Demonstranten gegen den Aufmarsch der Islamkritiker in Köln erwartet worden. Nachdem sogar über 5.000 Menschen eintrafen, verzichteten die Veranstalter die Zählung fortzusetzen.
Es machte sich anhand der Stimmung schnell bemerkbar, dass Köln offen ist. Das Thema wurde zwar mit einer gewissen Lockerheit aufgenommen, ohne aber die Ernsthaftigkeit zu verlieren. Nach einem kleinen Spaziergang kamen wir am Ottoplatz an. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften vor Ort: Eine sichere Demo. Ich schaute mich um und drehte mich einmal um meine eigene Achse. Zwischen den Bürotürmen waren zahlreiche Plakate unübersehbar: „Kartoffeln statt Döner“, „Scheiß Türken“, sowie „Für ein ausländerfreies Deutschland“.
Rainer Maria Kardinal Woelki, der Kölner Erzbischof, der erst vor einigen Monaten die Nachfolge von Joachim Kardinal Meisner angetreten hat, gilt als moralische Instanz von Köln. An Silvester mahnte er: „Gemeinsam mit Menschen guten Willens haben wir die Aufgabe, die Zeit, in der wir leben, um Gottes und der Menschen Willen besser zu machen." Das gelte vor allem in diesen Tagen, "in denen Organisationen meinen, sie müssten das Abendland gegen Menschen verteidigen, die buchstäblich oft nur ihr nacktes Leben nach Deutschland retten konnten."
Es war uns schon im Vorfeld klar, dass das Ziel der islamfeindlichen Organisation der Marsch über die Deutzer Brücke in Richtung Kölner Dom war. Dieser musste verhindert werden. Es war sehr laut um uns, man konnte sich kaum verständigen, jeder ließ seinen Gedanken freien Lauf, aber dennoch war allen eines bewusst: Es muss verhindert werden, dass die Demonstranten die Brücke überqueren. Es gab nichts, was uns daran hinderte, mit mehreren tausend Menschen die Brücke zur anderen Rheinseite zu blockieren. Wir sahen es als Pflicht an.
Einige von uns registrierten erst gar nicht, dass die Beleuchtung des Kölner Doms, der Rheinpromenade, Brücken, Museen und Kirchen ausgeschaltet war. Dompropst Norbert Feldhoff entschied sich dafür, um den islamfeindlichen Demonstranten keine Kulisse zu bieten. Es war ihm bewusst, dass ein dunkler Dom ein klares Zeichen bedeutet. Als der stellvertretende Bürgermeister ihm die Verdunklung vorschlug, sagte er spontan zu. Die Zustimmung des Kardinals holte er sich einen Tag später. „Die Entscheidung, die Demonstranten im Dunkeln stehen zu lassen, war unstrittig. Das Zeichen soll zum Nachdenken anregen“, sagte Feldhoff. PEGIDA stilisiert sich zum Retter des Abendlandes, singt Kirchenlieder und verwendet christliche Symbole. Doch Kardinal Woelki nimmt folgendermaßen Stellung: „Die Protestler vergessen immer wieder, dass Gottes Licht wirklich jeden Menschen erleuchtet, und nicht nur die Christen.“
Erfolgreich wehrten wir den Versuch der PEGIDA ab, in Richtung Dom zu gelangen. Es waren nur noch Beleidigungen zu hören, Deutschlandfahnen und Hakenkreuze waren zu sehen. Nachdem die PEGIDA ihre Grenzen aufgezeigt bekommen hat, fing sich die Gruppierung an aufzulösen. Es war ein kleiner „Sieg“ und ein tolles Gefühl, dass die Mehrheit gegen diese Bewegung ist. Was mich zusätzlich berührte war, dass die Stadt Köln, in der ich studiere, sich offiziell gegen die islamfeindliche Bewegung bekannt hat. Wir begaben uns nun zurück zum Auto, fütterten den Parkautomaten und nahmen Fahrt in Richtung Neuss auf. „Gut, dass du mich angerufen hast. Es war ein Erlebnis und eine Erfahrung, welche sich definitiv gelohnt hat“, teilte ich Eyüp mit.
Schreibe einen Kommentar