Es ist der Schlachtruf der Jugend, im Kampf gegen Langeweile, Eintönigkeit und starrer Spießigkeit. Ihre Soldaten: Röhrenjeans, Holzfällerhemden und Strickmütze tragende Hipster. Ihre Kampfbemalung: nostalgische Tattoos. Ihre Waffe: Ihr iPhone und alles, was das Social Networking von heute zu bieten hat. Das Streben nach ungebändigter und unzähmbarer Freiheit, die volle Süße oder Dröhnung des Lebens zu kosten ohne Rücksicht auf Verluste, den Lustfaktor zu mindestens 100 Prozent zu erreichen.
„Man lebt nur einmal!“
Dinge, die den persönlichen Lustfaktor minimieren, haben im Leben nichts zu suchen. Frei nach dem Motto: „Etwas tun, worauf ich keine Lust habe, kommt nicht in Frage.“ Wenn das mal nur so einfach wäre. Die wichtigste Aktivität, um das „Yolo-Gefühl“ heraufzubeschwören: „Feiern!“ Und zwar am besten rund um die Uhr. Eine Frage bleibt dabei aber fast immer unbeantwortet: „Was feiern wir denn überhaupt?“ Die Hipster schauen sich durch ihre früher noch zuzahlungspflichtigen übergroßen Brillengestelle fragend an. Anscheinend muss es dafür wohl keinen Grund mehr geben. Aus dem früher als Attribut bekannten Wort „den 18. Geburtstag feiern“, wurde ein feststehendes Substantiv „kommst du heut Abend mit Feiern?“ Die Sprache geht eben mit ihrer Zeit. Und da will noch jemand sagen, die Jugend würde nichts verändern?
Die Gründerväter
Was aber war der Auslöser für diesen derartigen Drang nach maximalem Spaß? Was fungierte dabei als Vorbild? Die nüchterne Antwort: Die Medien und die Werbung, die überall der Jugend suggerieren, dass das Leben sich erst lohnt, wenn es aus einem einzigartigen Rausch besteht. Eine Realität, die Hollywood-Streifen wie „Hangover“ oder „Project X“ zum Inbegriff einer gelungenen Nacht stilisieren. Die Gründerväter dieser Fiktionen? Tatsächlich sind es Familienväter zwischen 30 und 40, welche teilweise vollakademische Ausbildungen erfolgreich absolviert haben und als moderne, hart arbeitende Karrieremenschen im Business angesehen werden. Viel vom selbst erfundenen und jetzt propagierten „Yolo-Gefühl“ hatten diese Menschen in ihren jungen Jahren sicherlich nicht erlebt, denn sonst wären sie jetzt bestimmt nicht da, wo sie nun sind. Irgendwie hört sich das ziemlich uncool und gänzlich langweilig an. Ist „yolo“ somit einfach nur eine ausgeklügelte Werbemaschinerie, eine realitätsfremde Fiktion, ein fantastisches Märchen, welches aufgrund ihres scheinbar lebensbejahenden Inhalts und ihrem konsequenten, kompromiss- und gleichzeitig verantwortungslosen Streben nach einem ausschließlich egoistisch, von der Lust geleiteten Leben von so vielen jungen Leuten bewundert und versucht wird, im eigenen Leben umzusetzen? So ganz wird das wohl niemand beantworten können.
Die „Yolo-Gurus“
Dass es Menschen auf dieser Welt gibt, personifizierte „Yolo“-Gurus, die von uns neidisch durch flimmernde Mattscheiben bewundert werden, ein Leben wie eine einzige Party, einen einzigen Rausch führen, suggieren uns die Medien. Dass dies größtenteils bloße Momentaufnahmen, mit der Kamera festgehaltene, konservierte und teilweise sogar geschauspielerte Situationen der Ekstase und des Exzesses sind, ist aber auch eine ungeschriebene Wahrheit. Vor allem aber haben diese Menschen, um diesen angeblich beneidenswerten Status zu erreichen, viel dafür gearbeitet. Und an diesem Punkt eröffnet sich uns eine Paradoxie: Die von uns stilisierten „yolo-Denkmäler“ hatten also auch nicht immer ein ausschließlich auf die Lust ausgerichtetes Leben, und haben es heute mit großer Sicherheit auch nur sehr selten. Sie haben es eben bloß in diesen, durch die Kamera konservierten Momenten des Fakes.
„Bier ist Bier und Arbeit ist Arbeit“
Für „yolo-Jünger“ wird dieser Fakt eine bittere Pille sein. Aber so war es immer schon und wird es auch immer sein: „Ohne Fleiß, kein Preis.“ Aber das ist kein Grund um sich gleich von dem luftig-leichten „yolo“-Gefühl zu verabschieden und es in den imaginären Mülleimer zu werfen. Das Leben hat immer Höhen und Tiefen. Ein Leben auf dem absoluten Höhepunkt würde auf Dauer sogar die genügsamste Person zu einem unglücklichen Menschen machen. Sie würde mit Sicherheit schon nach einer kurzen Zeit von der maximalen Lustbefriedigung betrübt durch die Welt irren, unglücklich und innerlich leer nach dem nächsten Kick suchend. „Bier ist Bier und Arbeit ist Arbeit!“, damit regte mich schon meine Tante auf, wenn ich mit Blick auf die letzten Tage der Sommerferien der Schule entgegenjammerte. Und das ist auch richtig so, denn erst nach einer Periode der harten Arbeit, kann man den Moment der Freiheit, des Feierns so richtig genießen.
„Man lebt nur einmal“, diesen Gedanken sollte man aber dennoch stets im Hinterkopf behalten, um im kurzen Leben nicht an besonderen Momenten und Augenblicken engstirnig und spießig vorbeizumarschieren. Trotzdem sollte man sich dessen bewusst sein, dass das Leben nicht immer auf dem Höhepunkt verläuft und tolle Momente die Ausnahme bleiben, und diese auch nur in ihrer gänzlichen Fülle genossen werden können, wenn sie als Ausnahme angesehen werden. Oft empfindet leider derjenige erst richtiges Glück, wer in der alltäglichen Tristesse einen immer wiederkehrenden Bekannten gefunden hat.
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