Lange vergessene Inka-Hochburgen in luftiger Höhe, gekonnte Flugakrobaten in gigantischen Tiefen und ein Lebensader, die dem Menschen viel gibt und von ihm trotzdem allmählich zerstört wird. Zwischen der Pazifikküste und dem schaurigen Nebelwald erstreckt sich eines der facettenreichsten Länder unserer Welt.
Peru. Vier Buchstaben. Gigantische Vielfalt. Das Land ist gelebte Variabilität. So hat der Staat, wie auch Bolivien und Guatemala, mit 44 Prozent einen sehr großen Anteil an indigener Bevölkerung, 31 Prozent stammen direkt von Indianern ab. Das ist auch der Grund dafür, dass neben Spanisch auch viel Quechua und Aimara gesprochen wird. Im 19. Jahrhundert haben sich sogar einige Tiroler und Rheinländer an den Pazifik verirrt. Neben dem Küstenstreifen, ist Peru des Weiteren durch das Anden-Hochland, den Regen- sowie den Nebelwald geprägt. Von trockener Wüstenluft in der Atacama bis hin zum feucht-heißen undurchdringlichen Regenwald findet der Urlauber beinahe alle klimatischen Zonen vor.
Ein versteinertes Geheimnis
Ein Blick in den Dschungel gibt die Möglichkeit, neben exotischen Tierarten auch kulturhistorische Meilensteine der indigenen Geschichte zu entdecken. Wer dem alten Inkatrail entlang des Río Urubamba folgt und sich auf den Weg macht, die bergige Region zwischen dem Machu Picchu und dem Huayna Picchu zu erklimmen, der kann auf 2.400 Meter Höhe eines der sieben Weltwunder der Moderne entdecken: Die Inka-Stadt Machu Picchu. Die Ruinen der Siedlung, die vor fast 600 Jahren erbaut wurde, entging den spanischen Eroberern und wurde deshalb nicht zerstört. Die Besonderheit des Ortes, der in Quechua so viel wie „alter Gipfel“ bedeutet, ist der terrassenförmige Aufbau, der auf der Spitze des Berges trotzdem Leben und landwirtschaftliche Nutzung ermöglichten. Unter den 200 Gebäuden aus Granitgestein, die erst 1911 vom Archäologen Hiram Bingham wiederentdeckt wurden, befinden sich neben Wohngebäuden sogar Paläste wieder.
Gefräßige Flugkünstler
Aus den luftigen Höhen von Machu Picchu stürzen wir uns tief hinab. In rund 3.200 Metern Tiefe landen wir auf dem Grund des Colca-Canyons, dem zweittiefsten Punkt der Erde. Dieser erhielt seinen Namen von den Getreidegefäßen, den „Colcas“, die hier einst gelagert wurden. Die Felsmalereien an einigen Höhlenwänden entlang der Schlucht sind ein Spiegelbild der vergessenen Collagua-Kultur, die das Land über einen langen Zeitraum geprägt hatten. Wie in Machu Picchu wurden auch hier einige Hänge zu Terrassen umgeformt. Der Höhepunkt zwischen den kantigen, steilen Abhängen findet sich auf dem Grund der Schlucht. Dort, am Cruz del Condor, nutzen täglich Dutzende Andenkondore die thermischen Aufwinde, um in weiten Kreisen durch die Lüfte zu gleiten und sich immer weiter gen Himmel hinaufzuschrauben.
Geburtsort und Lebensquell
Aus den tiefen Schluchten, vorbei an den Dörfern Yanque, Coporaque, Achoma und Maca, wo sich die Gewohnheiten seit der Inka-Herrschaft kaum verändert haben, führt der Weg über Puna zum Titicacasee. Ein Ort mit Sonnen- und Schattenseiten. Einerseits ist der höchstgelegene, kommerziell nutzbare See der Erde, der 15-mal so groß ist wie der Bodensee, ein Drecksloch. Schifffahrt, Abwässer aus illegal betriebenen Minen sowie Klärschlamm aus Siedlungen haben Teile der bestehenden Flora und Fauna zerstört. Das Wasser, der Lebensraum von Fischen und Pflanzen, ist teilweise verschmutzt und einst ansässige Vogelarten sind von den Ufern verschwunden.
Andererseits ist das Gewässer, das sowohl zu Peru, als auch zu Bolivien gehört, ein gigantischer Wärmespeicher und eine Nahrungsquelle für die dort lebenden Menschen. Als Trinkwasserquelle in der ansonsten kargen Hochebene ist der Titicacasee eine unverzichtbare Lebensgrundlage. Das Mikroklima, das durch die Größe des Sees entsteht, gibt außerdem die Möglichkeit des landwirtschaftlichen Anbaus von Gemüse an den Ufern sowie die Haltung von Lamas, Alpakas und anderen Nutztieren. Das schätzten bereits die ersten Siedler vor fast 3.500 Jahren, deren Spuren die Geschichte Perus wie vielerorts bis ins 21. Jahrhundert stark beeinflusst hat. Eine Reise in das Land im Westen Südamerikas, ist eine Reise in die Vergangenheit.
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