Paul McCartney längst tot und durch einen Doppelgänger ersetzt, John Lennon quicklebendig, aber entführt an einen unbekannten Ort – keine Angst, um diese eher amüsanten „Theorien“ soll es hier nicht gehen. Viel spannender ist nämlich das musikalische und filmische Werk der Beatles selbst. Denn: Hinter ihrer verspielten, comichaften, oft auch ganz banalen Oberfläche tut sich ein rätselhafter Abgrund auf. Die vier netten Pilzköpfe aus Liverpool haben einen gehörigen Gruselfaktor.

Da wäre zum Beispiel das berühmte Plattencover des „Sergeant-Pepper“-Albums von 1967, das die Helden der Beatles versammelt. Neben »Dick und Doof«, Marlene Dietrich, Karl Marx und vielen anderen Persönlichkeiten aus Film, Literatur und Musik findet sich hier auch ein gewisser Aleister Crowley. Crowley gilt als Mastermind des modernen Okkultismus und der düsteren Variante der Esoterik. Bis heute erfreut sich der 1947 verstorbene Brite innerhalb der New-Age- und Magie-Szene großer Beliebtheit. Crowley, der sich in Anlehnung an die Offenbarung des Johannes gerne auch mal „das große Tier“ nannte, gab in zahlreichen Schriften eine krude Mischung aus ritueller Magie, Gnosis und fernöstlicher Spiritualität zum Besten – eine esoterische Lehre, die die „Selbstwerdung“ des Individuums mittels „Sexualmagie“ propagierte. Zudem hat er an einem bis heute populären Tarotkarten-System mitgewirkt.
Inspiriert vom “Großen Tier”
Das Sgt.-Pepper-Album der Beatles, Initialzünder für die Hippie-Bewegung und musikalische wie ideelle Grundlage für viele Rockstile der folgenden Jahrzehnte bis hin zu Grunge und Britpop, erschien just 20 Jahre nach dem Tod Crowleys. Bezieht sich die erste Zeile des Titelsongs der Platte – „It was twenty years ago today, Sgt. Pepper taught the band to play“ – also auf Crowley? Identifizieren Lennon/McCartney, aus deren Feder das Lied stammt, Crowley hier mit der Figur des Sergeant Pepper und bringen ihm so eine Hommage dar?
Tatsache ist: Vor allem John Lennon hatte sich mit den Schriften Crowleys spätestens seit Mitte der 60er Jahre intensiv beschäftigt und das „crowley‘sche Gesetz“ – „Tu, was du willst“ – zum Motto seines künstlerischen Schaffens gemacht. Ein reicher Nährboden für allerlei Spekulationen ist damit jedenfalls gegeben, bis hin zu der „These“, die Beatles und die Pop/Rock-Kultur insgesamt seien eben direkt „vom Teufel“. Auch ungeachtet einfacher oder schier überspannter Erklärungen tut sich im Werk der „Fab Four“ ein Abgrund auf, wenn man auf die hinter ihrem Alltags-Hedonismus und späteren Plüsch-Hinduismus steckende Ästhetik schaut.
Fleischfetzen auf Ärztekitteln
Erwähnenswert ist hier vor allem das sogenannte „Butcher-Cover“. Es findet sich auf der 1966 in den USA erschienenen LP „The Beatles Yesterday and Today“ und wurde wenig später wegen heftiger Kritik zurückgezogen bzw. überklebt. Auf ihm posieren die Liverpooler vergnügt in Ärztekitteln, an denen verstümmelte Babypuppen und Fetzen von rohem Fleisch kleben. Welche Botschaft auch immer mit diesem Bild transportiert werden soll, der Bezug zu Musik und Texten des Albums fehlt. Ein grotesker Gag? Solche und ähnliche „Verstümmelungs“-Ästhetik lässt sich heute – von Bands wie „Rammstein“ längst ausgereizt – im Booklet jeder mittelmäßigen Metal- und Gothic-Formation finden. In diesen heutigen Genres aber fügen sich derartige Bilder in einen Zusammenhang mit den Themen und Stimmungen der Songs – bei den Beatles nicht.
Auch die Klamauk-Komödie zum gleichnamigen Welthit „Help!“ von 1965, stilistisch angelehnt an Kassenschlager jener Zeit wie „James Bond“ oder „Fantomas“, gibt Rätsel auf. Der Film dreht sich um einen „geheiligten“ Ring, den Ringo Starr von einer Verehrerin geschenkt bekommt. Er lässt sich nicht mehr vom Finger des Beatle lösen und ist zu allem Unglück auch noch Eigentum einer indischen Sekte, die den jeweiligen Träger des Rings für gewöhnlich im „Tempel der Kaili“ als Opfer darbringt. Der Oberpriester reist darum mit seinen Helfern nach England, um das Accessoire samt Ringo Starr in Besitz zu bringen. Die Jagd auf Ringo und die anderen Pilzköpfe gestaltet sich äußerst verwickelt, teils unterhaltsam, teils schlichtweg albern. Viele Szenen arbeiten mit Anspielungen auf Okkultismus, Tarot und esoterischer Spiritualität. Dem aufmerksamen Zuschauer stellt sich schnell die Frage, was das alles eigentlich mit Beat-Musik und Teenager-Lyrik á la „You’re Going to Lose That Girl“ zu tun hat.
Was hinter der Affinität der Beatles zu Magie und Esoterik, hinter solchen Anklängen an eine »dunkle Transzendenz« steckt, ist sicherlich nicht leicht zu beantworten. Das Aufgreifen von okkulten, gnostisch-esoterischen und drastisch-grotesken Elementen mag ein bloßes Spiel mit dem Ungewöhnlichen gewesen sein. Vielleicht diente es einem ironischen Umgang mit der eigenen unerwarteten Wirkung, mit der quasi-sakralen Verehrung, die die Fangemeinschaft ihnen entgegenbrachte. War es also ein Mittel, die mehr und mehr ungeliebte Rolle als Helden der Massenkultur zu persiflieren? Vielleicht. Aber ist eine solche Erklärung wirklich ausreichend?
Es scheint, als hätten die Beatles ganz genüsslich diese düstere Symbolik als Werkzeug im Aufbau einer hintergründigen (oder besser abgründigen) Bandidentität genutzt: die Vier aus Liverpool als weltverändernde Kraft (die sie tatsächlich waren), die das Lebensgefühl der Nachkriegsgeneration vordergründig mit musikalischem Charme und Stand-Up-Witz revolutioniert, hinter der jedoch – in einer tieferen Sinnschicht – die zwielichtigen „supranaturalen“ Ressourcen einer neo-gnostischen Moderne lauern. Wenn das nicht gruselig ist.
Verkannte Beatles
Was hilft also weiter, wenn man Antworten finden will auf die düstere Seite der „Fab Four“? Oder gibt es am Ende gar keine Antworten? Nicht sensationell, aber sicherlich richtig ist die Erkenntnis, dass ein schräges Weltbild wohl auch im Falle der Beatles mit der Einnahme bewusstseinserweiternder Substanzen in Beziehung steht. Ob man die „Fab Four“ nun ins Zwielicht rücken sieht oder nicht, ihre Vorreiterrolle für jene Genres des Rocks, die sich thematisch ganz der „dunklen Seite“ verschrieben haben – Gothic, Black- oder Death-Metal etwa – ist wahrscheinlich größer und unmittelbarer als gemeinhin angenommen. Punk-Ikone Johnny Rotten, Sänger der legendären „Sex Pistols“, schmähte die Beatles stets als „zu nett“, „zu schwiegersohnhaft“. Er dürfte sie wohl verkannt haben.
Zuerst war wohl auch A.H. auf dem Platten Cover zu sehen.
Mein Wertung: Typischer Lennon-Humor!
“Adolf Hitler – was requested by Lennon and modelled behind the band (to the right of Larry Bell), but was moved out of frame (being “too controversial”, according to Blake) and replaced by Johnny Weissmuller.”
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