Atemberaubende Natur, eine eher unfreiwillige Wanderung und die einzigartige Pubszene von Irland: Weiter geht die Reise über die Insel, nachdem wir Dublin hinter uns gelassen haben. Nach unserer Übernachtung in Galway, geht es mit dem Bus weiter in Richtung der Cliffs of Moher.
Galway, die drittgrößte Stadt Irlands, ist noch relativ verschlafen. Die wenigen Passanten mustern uns und ein älterer Herr spricht uns ganz unverfroren auf der Straße an, wir fallen auf mit unseren Rucksäcken. „Hey, where are you going?” „To the Cliffs of Moher”, antwortet Esther. „Oh lucky you, lovely weather! Have a nice day!”, entgegnet er und verschwindet im nächsten Hauseingang. Und tatsächlich, der Himmel ist strahlend blau und die Sonne wärmt schon jetzt an diesem Morgen.
Nach der zweieinhalb stündigen Busfahrt kommen wir gegen halb zwölf bei den Cliffs of Moher an. Die bekanntesten Steilklippen Irlands ragen bis zu 214 Meter beinahe senkrecht aus dem Atlantik. Ausgehend vom „Visitor Center” erklimmen wir die Klippen mit unseren schweren Rucksäcken. Unsere klobigen Wanderschuhe fühlen sich an wie schwere Betonklötze, jeder Schritt ist beschwerlich und der Rucksack lastet auf Schultern und Hüften. Nur ein provisorischer Holzzaun trennt den schmalen Weg vom Abgrund, auf dem höchsten Punkt der Klippe klettern wir dennoch hinüber. Die Aussicht, die uns geboten wird, ist einfach atemberaubend, jede Anstrengung des Aufstiegs ist vergessen. „Man, das lohnt sich echt!”, Christina lässt ihren Rucksack ins saftige Gras fallen. Ihr Blick schweift über die acht kilometerlangen, rauen Klippen und das blaue Meer. Esther, Christina und ich haben uns ins Gras gesetzt, unsere Beine baumeln über dem Abgrund. „Ich könnt’ den ganzen Tag hier sitzen”, schwärmt Christina. Esther schielt vorsichtig über den Abgrund: „Aber nur wenn du vergisst, dass da 200 Meter unter deinen Füßen einfach mal nichts ist.”
No road is long with good company
Am Nachmittag fahren wir weiter nach Limerick. Die Stadt in der Provinz Munster ist in diesem Jahr „City of Culture”, unzählige bunte Fähnchen schmücken die Straßen. Nach einem Kaffee machen wir uns auf den Weg zu unserem Hotel. Die „Ennis Road”, in der unser Bleibe liegt, ist auf dem kleinen Stadtplan unseres Reiseführers eingezeichnet. „Na dann können wir ja auch zu Fuß gehen, das kann ja nicht weit sein”, erklärt Christina viel zu motiviert. „Aber mit dem Bus”, protestiere ich, „Nein, wir gehen zu Fuß!”, Christina schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, ihr Blick billigt keinen Widerspruch. Wir überqueren den Shannon, Irlands längsten Fluss, kommen an schmucken Häusern vorbei, die alle etwas zurückgesetzt liegen, später wird die Straße breiter. Es ist ziemlich warm, unsere Jacken haben wir längst ausgezogen und die Sonnenbrillen aufgesetzt.
Der Rucksack scheint mit jedem Schritt schwerer zu werden, wir gehen im Gänsemarsch hintereinander her. Laut Google Maps müssten wir nach 48 Minuten unser Ziel, das Travellodge Hostel, erreicht haben. Auf der kleinen Mauer eines Lidl Parkplatzes sitzt ein rothaariger, junger Mann mit Anzugshose und Hemd, er erfrischt sich gerade mit einem Eis. „Och wie weit ist das denn noch, die 48 Minuten sind schon fünfmal rum!” Esther bleibt mit gequältem Gesichtsausdruck stehen. Der Mann kann sich das Lachen nicht verkneifen: „Kann man euch helfen?” „Oh, Sie sprechen deutsch”, stellt Esther peinlich berührt fest. „Ja, ich wohne erst seit knapp zwei Jahren hier.” Er schaut ebenfalls auf seinem Handy nach und weist uns dann die Richtung: „Ihr habt’s gleich geschafft.” Er zeigt mit seinem rechten Arm weiter die Straße hinauf, „in circa 300 Metern auf der rechten Seite.” Auf den letzten Metern sind wir uns sicher: Irische Lebensart und vielleicht sogar die Haarfarbe färben ab.
Come as you are
Im Hotel springen wir erstmal unter die Dusche. Später, als ich vor dem Spiegel stehe, kann ich es kaum fassen: Ich habe tatsächlich etwas Sonnenbrand bekommen, in Irland, wo es angeblich immer nur regnen soll. Am Abend fahren wir mit dem Taxi wieder in die Stadt und gönnen uns Lasagne und Pasta im „La Piccola”. Die nette Kellnerin empfiehlt uns für den Abend „Nancy Blake’s”, zumindest erzähle ihre Tochter immer davon. Auf halbem Weg zum Pub begegnet uns ein Mann in einer der Seitenstraßen. Ich schaue ihn erst etwas verdutzt und amüsiert an, dann die Tüte, die er mit sich trägt. Er hält in der rechten Hand eine durchsichtige Geschenktüte in der sich Osterhasen aus Schokolade und Schokoeier befinden. „It’s for you!”, er hält mir die Tüte lächelnd entgegen, dankend lehne ich ab. „Oh no, there’s nothing wrong with that”, er drückt mir die Plastiktüte in die Hand, sodass ich keine andere Wahl habe, als sie anzunehmen. Ich bin etwas perplex, sodass ich ihm nur noch ein „thank you” über die rechte Schulter zurufen kann.
Im Pub bestellen wir erst einmal drei Guinness, setzen uns an einen der kleinen runden Tische und fangen an, Karten zu spielen. Der Pub ist relativ voll, viele scheinen direkt nach der Arbeit hergekommen zu sein, am Nebentisch sitzt ein Ehepaar mittleren Alters. „Does anybody want some chocolate?”, frage ich in die Runde und hole die geschenkte Schokolade hervor. Sharon, die mit ihrem Mann William, ihrer Tochter Sarah und deren Verlobten Jamie am Nebentisch sitzt, stimmt zu. Schnell kommen wir ins Gespräch und ich versuche, „Mau-Mau” auf Englisch zu erklären, was sich als gar nicht so einfach herausstellt. Bald sitzen wir zu siebt um den kleinen, wackligen Holztisch herum. „Do you want me to teach you a typical irish card play?” Wir sind einverstanden und Jamie erklärt uns „Snap”. Bei diesem Spiel ist ein gutes Reaktionsvermögen gefragt. Alle Spielkarten werden gleichmäßig aufgeteilt und jeder legt reihum eine Karte in die Mitte.
Sobald zwei Karten derselben Farbe aufeinander liegen, kommt es darauf an, als Erster laut „Snap!” zu rufen und dabei mit der flachen Hand auf den Kartenstapel zu schlagen. Der Schnellste bekommt alle Karten. Christina erweist sich als echte Könnerin, sodass William leicht vorgebeugt auf seinem Holzhocker sitzt und sprachlos feststellt: „Oh Jesus, you’re so fast!”
Erst gegen halb zwölf verabschieden sich die vier, trotz dass alle am nächsten Tag arbeiten müssen. „To irish people it seriously doesn’t matter what time it is, Guinnes tastes good all day!”, erklärt Jamie, indem er den letzten Schluck Guinness trinkt und sich mit einer herzlichen Umarmung von uns verabschiedet.
Wie es weitergeht, erfahrt ihr in Kürze hier bei f1rstlife!
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