Anne Frank – wer sie aus dem Schulunterricht kennt, ordnet ihren Namen ganz automatisch in die Zeit des Zweiten Weltkriegs ein. Doch das Leben der Jüdin begann schon vor dem Krieg: Das Mädchen wurde am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren, wo sie die ersten vier Jahre ihres Lebens noch unbeschwert verbrachte. Ihr Vater, Otto Frank, ist Banker. Nach dem Börsenkrach in New York ahnt er, dass sich auch in Deutschland die Lage zuspitzen wird und dass rechtsextreme Parteien in solch einer Krisensituation womöglich die Macht erhalten werden. Mit dieser Vermutung sollte er Recht behalten. Als die NSDAP im Sommer 1933 an die Macht kommt, sieht sich die Familie gezwungen, in die Niederlande zu fliehen. Anne besucht dort vorerst die Montessori-Schule. Im Mai 1940 ziehen die Nationalsozialisten jedoch auch in die Niederlande ein und schränken die Rechte der Juden massiv ein. Inzwischen dürfen Juden ausschließlich in jüdische Schule gehen. Der Besuch von öffentlichen Einrichtungen wie Kinos oder Schwimmbädern bleibt ihnen verwehrt.
Das Versteck im Hinterhaus
Im Sommer 1940 erhalten etliche jüdische Kinder per Brief die Aufforderung, in Arbeitslagern innerhalb Deutschlands zu arbeiten. Auch Annes Schwester Margot soll diesem Befehl folgen. Dieses Ereignis veranlasst die Familie, unterzutauchen. Für die Öffentlichkeit lassen die Franks es so aussehen, als seien sie in die Schweiz geflohen. In Wirklichkeit aber halten sie sich in Amsterdam in einem kleinen Hinterhaus versteckt. Dort sind sie jedoch nicht alleine. Mit ihnen zusammen tauchen noch vier weitere Juden in dem Hinterhaus unter: Hermann und Auguste van Pels mit dessen Sohn Peter sowie Fritz Pfeffer. Die Angst entdeckt zu werden, begleitet sie durch jeden neuen Tag.
Ihre Zeit im Hinterhaus verbringen die Untergetauchten mit lesen, essen, lernen und schlafen. Sie lernen verschiedenste Sprachen von Englisch bis Französisch über Latein, machen Stenographie-Kurse und pauken mathematische Formeln. Am Mittag bekommen sie Besuch von ihren Helfern, Miep Gies, Johannes Kleiman, Victor Kugler und Bep Voskuijl, die mit ihnen zu Mittag essen und sie über das aktuelle Kriegsgeschehen informieren. Wenn die Juden unter sich sind, dann denken sie über ihre Wünsche und Träume für die Zeit nach dem Krieg nach: Margot und Herr van Pels wünschen sich ein heißes Bad, Annes Mutter wünscht sich eine Tasse Kaffee und Anne wüsste bei dieser wunderbaren Vorstellung nicht, wo sie anfangen sollte. So notiert sie es in ihrem Tagebuch.
Der Verrat – die Deportation ins Konzentrationslager
Ihr letzter Eintrag datiert den 1. August 1944. Was danach folgt, ist das Ende eines glücklichen Familienlebens. Die Untergetauchten wurden verraten – von wem, das ist bis heute unbekannt. Am Morgen des 4. August 1944 hält ein Auto der Gestapo vor dem Haus Prinsengracht. Die Untergetauchten werden verhaftet; die Familie wird getrennt und über das Durchgangslager Westerbeck nach Auschwitz deportiert. Annes Mutter Edith stirbt sehr bald an den Folgen des Hungers und der Erschöpfung. Anne und ihre Schwester Margot sterben wenige Wochen vor der Befreiung des KZ Bergen-Belsen an Typhus. Herman van Pels wurde noch am Tag seiner Ankunft im KZ vergast; das Todesdatum seiner Frau ist jedoch unbekannt. Ihr gemeinsamer Sohn Peter stirbt im Mai 1945 in Mauthausen. Fritz Pfeffer kommt im Dezember 1944 im KZ Neuengamme ums Leben. Otto Frank überlebt als Einziger den Holocaust. Er ist auch derjenige, der Annes letzten Wunsch erfüllt, nämlich die Veröffentlichung ihres Tagebuchs.
Anne war ein Mädchen voller Träume. Ihr Optimismus schien die dunkle Zeit, in der sie lebte, zu verdrängen. Sie hatte einen großen Traum: Das Mädchen wollte später einmal Schriftstellerin oder Journalistin werden. Ich bin mir sicher, dass sie heutzutage eine tolle Autorin oder Redakteurin geworden wäre. Ihr Tagebuch schrieb sie mit einer unglaublichen Reife. Als Leser erwartet man eine erwachsene Frau als Verfasserin des Tagebuches – in Wirklichkeit aber ist sie ein 13-jähriges Mädchen, die sich hinter den Worten versteckt. Sie beweist, was Lebensfreude wirklich bedeutet. Hunderte Menschen können sich auch in der heutigen Zeit noch mit ihr identifizieren. Obwohl das Schicksal jenes Mädchens nahezu jedem bekannt ist, fiebern wir als Leser mit ihr mit. Die Hoffnung, dass dieses starke Mädchen den Krieg doch noch überlebt, hält bis zur letzten Seite an. Einzig ihre Worte, die sie in ihrem Tagebuch verfasst hat, lassen Anne bis heute mit all ihren Gefühlen und Charakterzügen leben.
Anne Franks Schicksal gilt heutzutage als exemplarisches Zeichen der Grausamkeit der Nationalsozialisten gegenüber den Juden. Ihr Leben ist nur ein Beispiel für den Tod von Millionen Juden, die den nationalsozialistischen Verbrechen zum Opfer fielen. Annes Frank schafft mit ihrem Tagebuch aus den historischen Ereignissen den persönlichen Bezug.
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